Das Jahr 1972 gilt gemeinhin als das Geburtsjahr der weltweiten Umweltbewegung. Das liegt vor allem daran, dass in diesem Jahr das grundlegende Buch zum Thema erschien, zunächst auf Englisch unter dem Titel „The Limits of Growth“ mit dem Untertitel „Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit“. Der Club wurde 1968 auf Initiative einiger Industrieller und Wissenschaftler gegründet und erregte mit diesem Buch, das er beim Massachusetts Institute of Technology in Auftrag gegeben hatte und das die deutsche Volkswagenstiftung mit einer Million DM finanzierte. In 30 Sprachen übersetzt, erreichten die „Grenzen des Wachstums“ eine Auflage von 30Mio. Stück.
Auch heute, fast 50 Jahre nach dem Erscheinen des Buches lohnt seine Lektüre immer noch, denn bereits in diesem Buch sind die notwendigen Schritte zu einer nachhaltigen Entwicklung der Menschheit dargestellt und es ist darauf hingewiesen worden, dass grundlegende Veränderungen der westlichen Lebens- und Wirtschaftsweise notwendig sind, um die Lebensperspektiven zukünftiger Generationen dauerhaft zu sichern.
Hier einige Zitate aus der deutschsprachigen Ausgabe:
„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“ (S.17)
„Aus diesem teuflischen Regelkreis können uns technische Lösungen allein nicht herausführen.“(S.172)
Die Ergebnisse der Studie basieren auf Systemmodellierungen, in die zahlreiche Einflussparameter und alternative Entwicklungskonstellationen eingeflossen sind. Die Daten wurden in ein Computermodell eingebracht, das noch heute als CD verfügbar ist. Es läuft auf jedem PC, da heutige Rechner weitaus leistungsfähiger sind als die damaligen Großrechner.
Insbesondere die als Prognosen interpretierten Ergebnisse der Studie bezüglich der zukünftigen Verfügbarkeit fossiler Rohstoffe sind von Rezensenten als falsch kritisiert worden. Tatsächlich haben sich die verfügbaren Vorräte als robuster und langlebiger herausgestellt, als die Studie erwarten ließ, vor allem durch die Erschließung bis dahin unbekannter Vorräte und die Wiederverwendung z.B. von Stahlschrott für neue Produkte. Auch Effizienzgewinne und andere Formen des technischen Fortschritts würden unzureichend berücksichtigt.
So richtig diese Detailkritik sein mag, sie lenkt ab von der grundsätzlich unbestreitbaren Tatsache der Endlichkeit vieler Ressourcen und von dem Faktum, dass der technische Fortschritt bisher stets überkompensiert wurde durch ein ihn übertreffendes Mengenwachstum (auch Rebound-Effekt genannt).Problematisch aus meiner Sicht ist die Fokussierung auf das Bevölkerungswachstum als Treiber für immer mehr Naturverbrauch. Auch heute übersteigt allein der Naturverbrauch einer wohlhabenden Minderheit aus den Industrieländern die Belastbarkeit der Erde. Die große Mehrheit der Armen trägt nur unwesentlich dazu bei. Würden alle Menschen den Maßstäben der Nachhaltigkeit entsprechend leben, dann wäre die Belastungsgrenze noch längst nicht erreicht. Zudem würde das Bevölkerungswachstum in der dritten Welt, das ja insbesondere ein Armutsphänomen ist, bei einer gleichmäßigen Wohlstandsverteilung auf verträglichem Niveau auch zum Stillstand kommen.
Fakt bleibt, dass die Grenzen des Wachstums schon Anfang der 70er Jahre hätten bekannt werden und Gegenmaßnahmen hervorrufen können. Tatsächlich geschah wenig, vor allem wenig wirklich Wirkmächtiges. 1973 führten Ölpreissteigerungen durch das Opec-Kartell zur sog. Ölkrise, die in Deutschland mit staatlich angeordneten „autofreien Sonntagen“ gefeiert wurde. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ließen aber sonst nahezu alles beim Alten. Diese Tatsache unseren Enkeln zu erklären, ist ebenso wenig möglich wie seinerzeit die Nazi-Gefolgschaft unserer Eltern uns unfassbar blieb. Immerhin, der Nachhaltigkeitsforschung, die es bis dahin praktisch nicht gegeben hatte, gab das Buch der MIT-Forschungsgruppe wichtige Impulse. Aber auch deren Ergebnisse z.B. zum Klimawandel, zum Artensterben und zur Vergiftung der Weltmeere fanden bisher viel zu wenig Handlungsresonanz.
Der Club of Rome wurde nach seiner Gründung 1968 im Jahr 1972 zum ersten Male in größeren Umfang der Öffentlichkeit bekannt als Herausgeber der ersten „Berichts zur Lage der Menschheit“, in dem unter dem Titel „Grenzen des Wachstums“ auf die Endlichkeit der Naturvorräte und die Begrenztheit der Erde schlechthin hingewiesen wurde. Das Buch schlug damals ein wie eine Bombe und motivierte mich wie viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sich den Fragen einer Zukunftsentwicklung innerhalb der Wachstumsgrenzen zu widmen.
2018, zum 50. Geburtstag des Club of Rome, erschien ein neuer Report, verfasst von zahlreichen Koautoren und herausgegeben von Ernst Ulrich von Weizsäcker und Anders Wijkman, den aktuellen Ko-Präsidenten des Club. Das Buch ist ein flammender Appell für eine fundamentale Umkehr der Menschheits-Entwicklung in Richtung einer naturverträglichen Lebens- und Wirtschaftsweise. Auf fast 400 Seiten werden Vorschläge entwickelt und ausgebreitet, die kaum ein Handlungsfeld auslassen. Die Autoren weisen in Teil 1 des Buches nach, dass der heutige Lebensstil vor allem der Industrieländer alles andere als nachhaltig ist und dringend verändert werden muss. In Teil 2 entwerfen sie das Konzept einer neuen Rationalität, das die westliche Denkweise der Aufklärung durch eine neue Rationalität von Toleranz und Balance ersetzt. Schließlich stellen sie in 18 Handlungsfeldern die aus ihrer Sicht gebotenen Maßnahmen zur Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft dar. Vor allem aber wird der unaufschiebbare Charakter der gebotenen Maßnahmen unwiderlegbar untermauert. Man muss nicht alle aufgewiesenen Maßnahmen gleichermaßen notwendig finden. Insbesondere der nahezu völlige Verzicht auf Suffizienz, also auf den Verzicht auf Wachstum für die entwickelten Länder, und die Ausführungen zum Problem des Bevölkerungswachstums erfordern aus meiner Sicht eine kritische Reflexion. Dennoch liefert das Buch so viel Stoff zum Nachdenken auch darüber, was man selbst tun kann, um mehr Nachhaltigkeit zu befördern, dass es ähnlich wie der erste Report zu den Grenzen des Wachstums auf jeden Fall zur Lektüre empfohlen werden kann.
Seit einigen Jahren wird nicht nur in Deutschland, sondern weltweit über eine sog. Postwachstumsgesellschaft diskutiert, zunächst in Kreisen der Wissenschaft, zunehmend aber auch in der gesamten Gesellschaft, vor allem im Umfeld der globalisierungskritischen und Umweltorganistionen. Dabei ist die Debatte durchaus kontrovers. Insbesondere westliche Politiker und liberale Ökonomen verteidigen das Wirtschaftswachstum als notwendige Bedingung dafür, dass Hunger und Elend weltweit reduziert und der Wohlstand der westlichen Industrieländer globalisiert werden kann.
Fakt ist allerdings, dass es Wirtschaftswachstum in Form des Wachstums des Sozialprodukts nun bereits seit Jahrzehnten gibt, der materielle Wohlstand sich aber immer weiter auf wenige Länder und Menschen konzentriert, ja dass die Wohlstandsunterschiede eher wachsen als reduziert werden. Fakt ist außerdem - und darauf haben seit der Club of Rome Studie von 1972 viele Wachstumskritiker immer wieder hingewiesen - dass das Wirtschaftswachstum eine Fülle von ökologischen und sozialen Kollateralschäden mit sich bringt, die zunehmend an die Substanz der menschlichen Lebensgrundlagen gehen. Und Fakt ist drittens, dass immer mehr Menschen trotz wachsenden materiellen Wohlstands die Tretmühle von Arbeit und Konsum als belastend und keineswegs als beglückend empfinden.
Hier setzt das Buch von Nico Paech an: Es entwickelt auf der Grundlage einer Wachstumskritik die Alternative Postwachstum. Wirtschaftswachstum bei uns bedeutet ja auch Plünderung und Ausbeutung der sog. Dritten Welt, es schafft neue Abhängigkeiten und keineswegs nur Freiheiten. Postwachstum dagegen ermöglicht z.B. soziale Nähe, Muße und Kreativität bei Eigenarbeit und neue Freiheiten in Form des Verzichts auf Unnötiges und Schädliches. In diesem Sinne ist Suffizienz tatsächlich Befreiung vom Überfluss. Ein wichtiges und anregendes Buch eines der bekanntesten deutschsprachigen Wachstumskritiker. Das Buch wurde bei seinem Erscheinen 2012 von der Bildzeitung - einer nicht gerade für eine kritische Weltsicht bekannten Zeitung - in einem ausführlichen Artikel rezensiert und zur Lektüre empfohlen. Dem schließe ich mich aus vollem Herzen an.
Noch ein Klassiker, diesmal einer, der auf den ersten Blick nicht viel mit Nachhaltigkeit zu tun hat. Vance Packards "Geheime Verführer" handelt von der Instrumentalisierung tiefenpsychologischer Erkenntnisse und Tricks durch die kommerzielle Werbung. Das Buch erschien im Original 1957 und in deutscher Übersetzung 1958. Ich selbst habe es " erst" 1964 gelesen und war damals schwer beeindruckt. Aber man kann das Buch durchaus auch heutigen Lesern empfehlen. Denn Vance Packard ist ein amerikanischer Journalist, der eine flotte Sprache pflegt und einen Tatbestand unter die Lupe nimmt, der damals durchaus noch nicht so selbstverständlich war, wie er es heute ist. Dass Unternehmen keine Zigaretten verkaufen, sondern ein Lebensgefühl, und dass sie dabei durchaus nicht an den mündigen Käufer adressieren, dem sie die Vorzüge des beworbenen Produkts nahebringen wollen, sondern dass sie versuchen, unterhalb der Bewusstseinsebene anzusetzen, mag uns Heutigen fast schon selbstverständlich erscheinen. Mit der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zwischen gleichberechtigten Partnern - Anbietern und Nachfragern - hat das allerdings nichts mehr zu tun. Und so war Packard einer der ersten, die den Finger in die Wunde legten und in aufklärerischer Absicht das schiefe Verhältnis zwischen Konsumgüterindustrie und Konsumenten beleuchteten.
Wenn Manipulation eingesetzt wird, um immer mehr Waren und Leistungen zu verkaufen, kann es kaum der manipulierte Käufer sein, der dafür verantwortlich ist, dass Wohlstand landläufig gleichgesetzt wird mit der Verfügbarkeit über immer mehr Produkte.
Packard berichtet über damals spektakuläre Fälle der Verbraucher-Manipulation, die uns heute eher ein müdes Lächeln ins Gesicht rücken. Wenn man sich aber klar macht, dass es heute quasi selbstverständlich ist, uns Verbraucher immer unmündiger zu machen, indem wir als denkfähige Subjekte gar keine Rolle mehr spielen, zeigt das aus meiner Sicht die hohen Hürden auf, die wir zu überwinden haben werden, wenn wir eine nachhaltige Wirtschaftsweise etablieren wollen. Denn dazu müssen wir die emotionale Ebene zwar mit bedenken, aber vor allem die mündigen Mitbürger gewinnen, wenn es sie denn angesichts der manipulativen Umgehensweise, die auch die Wahlwerbung pflegt, überhaupt in größerer Zahl noch gibt.
Lange bevor ökologische Probleme ins öffentliche Bewusstsein gelangten und politisch bearbeitet wurden, legte der 1933 vor den Nazis geflüchtete deutsche Ökonom K. William Kapp im Jahre 1950 eine erste systematische Studie über, wie wir es heute vielleicht ausdrücken würden, soziale und ökologische Kollateralschäden privatwirtschaftlichen Wirtschaftens vor und prägte dafür den Begriff "soziale Kosten". Die These: Private Unternehmen verursachen systematisch soziale und ökologische Kosten, die sie nicht selbst begleichen, sondern die von anderen, der Gesellschaft insgesamt oder künftigen Generationen getragen werden müssen. Das sind z.B. gesundheitliche Schäden ihrer Arbeitnehmer oder der Anlieger ihrer Produktionsstätten. Es ist die Verschmutzung von Luft, Wasser und Böden und die Übernutzung natürlicher Ressourcen.
Nach ihrem Erscheinen wurde die damals "Social Costs of Private Enterprise" betitelte Schrift kaum zur Kenntnis genommen, obwohl sie bereits 1958 auch in deutscher Sprache veröffentlicht worden ist. 1971 brachte Kapp selbst die amerikanische Neuauflage heraus, die 1978 auch in deutscher Sprache unter dem oben genannten Titel publiziert wurde, 2 Jahre nach dem Tod des Autors. Heute gilt das Werk als Klassiker der Umweltökonomie.
Kapp belässt es nicht dabei, die verschiedenen Arten der sozialen Kosten zu benennen und mit empirischen Zahlen so weit wie möglich zu belegen. Er liefert eine ausführliche Analyse ihres Entstehens und ihrer Bedeutung. Dabei geht er - wissenschaftlicher Ökonom, der er ist - auch ausführlich auf die verschiedenen Ansätze der Mainstream-Ökonomie ein und unterzieht sie einer kritischen Würdigung. Diese Analyse mündet in einem Neuentwurf für eine sich als Sozialwissenschaft verstehende neue politische Ökonomie. Für Ökonomen und solche, die es werden wollen, eine sehr lehrreiche und erfrischende Lektüre. Für Menschen, die Nachhaltigkeit für sich selbst auf den Weg bringen wollen, vielleicht etwas zu stark wissenschaftskritisch. In jedem Fall darf das Buch auf meiner Literaturliste nicht fehlen.
Der Autor dieses Buches hat eine Biographie, die derjenigen William Kapps sehr ähnelt. Auch er ist deutscher Herkunft, seine Veröffentlichungen sind aber durchweg in englischer Sprache verfasst, weil er in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts vor den Nazis geflüchtet ist, in seinem Fall nach Großbritannien. Nach verschiedenen Tätigkeiten als Ökonom im britischen Staatsdienst und einer Studienreise nach Birma, wo er seine Ideen von buddhistischer Ökonomie entwickelte, veröffentlichte er 1973 das Buch "Small is Beautiful", das 1977 ins Deutsche übersetzt wurde und 2019 in der abgebildeten Neufassung bei Oekom erschien.
Dieses Buch ist also auch ein Klassiker, der damals wie heute sehr spannend zu lesen war und ist. Schumacher legt eine fundierte Kritik der wachstumsfixierten ökonomischen Theorie und Praxis vor, der er Unmenschlichkeit, Gewalttätigkeit und Umweltzerstörung vorwirft. Wirtschaft und Technologie seien (bereits 1973!) auf dem Wege zum Gigantismus, ohne auch nur im Ansatz ihr Versprechen, das Problem der Armut vieler Menschen zu beseitigen, wirklich einzulösen. Im Gegenteil sei der Gegensatz zwischen arm und reich noch stets gewachsen. Dafür werde in Kauf genommen, dass immer weniger Menschen einer menschengerechten, zufriedenstellenden und umweltschonenenden Tätigkeit nachgehen könnten. Hier müsse eine Umkehr erfolgen hin zu einer Wirtschaft und Technologie, deren Größe und Geschwindgkeit sich an einem für den tätigen Menschen überschaubaren Maß orientiere. Hierfür prägt Schumacher den Begriff der mittleren Technologie. Auch wenn diese weniger effizient und produktiv sei, habe sie doch den eminenten Vorzug, einem größeren Teil der Menschen wieder eine wahrhaft produktive Arbeitstätigkeit zu ermöglichen. Utopisch und unrealistisch? Das erste ja, das zweite absolut nicht! In dem mir vorliegenden Buch von 1977 findet sich ein Anhang, in dem zahlreiche Fälle und Beispiele dargestellt werden, wie diese Utopie Wirklichkeit werden soll und kann, lesenswert auch dies. Vieles von dem - z.B. die fatalen Folgen der "friedlichen Nutzung" der Atomkraft und der industriellen Landwirtschaft - werden in diesem Buch bereits dargestellt und haben sich seither vielfach als zutreffend erwiesen. Zahlreiche Ansätze zur Umsetzung der Vorschläge Schumachers sind ebenfalls aktuell beobachtbar, von der solidarischen Ökonomie bis zur Öko-Landwirtschaft. Die meisten Prognosen von Mainstream-Ökonomen erweisen sich als unzutreffend. Schumachers Visionen bilden eine Ausnahme. Sehr zu empfehlen.
Noch ein Klassiker aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts! 1977 in Englisch, ein Jahr darauf in Deutsch legte der amerikanische Physiker Amory B. Lovins und spätere Träger des sog. Alternativen Nobelpreises, unter dem Titel „Soft Energy Paths“ ein Buch vor, das das damals verfügbare Wissen „alternativer“ Ingenieure und Ökonomen zu möglichen Alternativen zur sog. friedlichen Nutzung der Atomenergie zusammentrug: „Ein aus allen Richtungen zusammengetragenes Dokument besteht, wie eine Wand, hauptsächlich aus Bausteinen. Ich habe etwas Mörtel und Kunstfertigkeit hinzugegeben“ heißt es im der Vorrede.
Zur damaligen Zeit glaubte der Mainstream fest an eine rosige Zukunft der großtechnologischen Energieerzeugung. Getrieben durch das wirtschaftliche Interesse der Energiekonzerne setzten Politik und Wirtschaft darauf, mit großen Kohle- und Atomkraftwerken Strom zu produzieren und die weltweiten Öl- und Gasvorkommen flächendeckend, also auch in Arktis und Antarktis auszubeuten, um wie es hieß – den weltweit steigenden Energiebedarf zu befriedigen und den Menschen materiellen Wohlstand zu bescheren. Nicht zuletzt befördert durch die Friedens- und Antiatombewegung setzen alternative Wissenschaftler das Konzept einer dezentralen Energiegewinnung mittel regenerativer Quellen – Wasser, Wind, Sonne, Biomasse – dagegen. Lovins trägt diese Ergebnisse zusammen und entwirft einen „Wendeplan“, der nicht nur auf der Gewinnungsseite auf Alternativen setzt, sondern große Effizienzpotentiale aufzeigt und darüber hinaus beträchtliche Einsparmöglichkeiten entwickelt, die z.B. im weitgehenden Wegfall von Transportverlusten und in der Gebäudedämmung schlummern. Dabei ist Lovins davon überzeugt, dass es notwendig sein wird, dem Zentralisierungsmodell der Großtechnik ein dezentrales Energiesystem entgegenzusetzen, in dem die Energie weitgehend dort gewonnen wird, wo sie auch genutzt werden soll, insbesondere bei der Stromerzeugung.
Heute ist mit der digitalen Steuerungstechnik ein Instrument verfügbar, das es erlaubt, nicht nur zahlreiche dezentrale Erzeuger zu koppeln, sondern auch Produktion, Speicherung und Nutzung so aufeinander abzustimmen, dass eine optimale Versorgung sichergestellt werden kann. Auf großtechnologische Elemente des Energiesystems könnte weitgehend verzichtet werden, von Großspeichern, Geothermieanlagen und großen Wasserkraftwerken einmal abgesehen. Haus- und Grundbesitzer, ja sogar Mieter mit Balkonen könnten zu dem werden, was man heute „Prosumenten“ nennt. Sie könnten sowohl Strom nutzen als auch selbst herstellen. Selbst die Speicherung könnte dezentral vorgenommen werden. Nahezu alle Komponenten eines solchen dezentralen Energiesystems werden bereits in diesem Buch dargestellt, auf ihre technische Machbarkeit geprüft und als volkswirtschaftlich kostengünstiger bewiesen. Einzig das Geschäftsmodell der Energiekonzerne hätte in diesem System allenfalls noch einen Übergangsplatz.
Lovins projektiert die Zeitdauer des möglichen Übergangs auf ein solches „sanftes“ und dezentrales Energiesystem auf etwa 30 Jahre. Hätte man 1980 begonnen, könnte es dieses System heute bereits 10 Jahre geben. Stattdessen hat die Energiewirtschaft große Geschütze aufgefahren und Wissenschaftler beauftragt, die Unmöglichkeit der von Lovins skizzierten Energiewende „nachzuweisen“, dem die Politik leider bis heute weitgehend gefolgt ist. Diese Strategie wird von Klaus Traube, einem der deutschen Vorkämpfer der Anti-Atom-Bewegung, im Vorwort kenntnisreich als grob fehlerhaft entlarvt. Ein sehr lesenswertes Buch, das trotz seiner weiten Verbreitung noch nicht die praktische Umsetzung erfahren hat, die es und die Menschheit insgesamt verdient hätten. Noch ist es nicht zu spät….
Wachstum, Wachstum, Wachstum....
Das ist die Parole, hinter der sich die Wirtschaftspolitik vieler Länder einmütig versammelt und die als vorrangiges Ziel wirtschaftspolitische Aktivitäten von Regierungen und einschlägigen Verbänden bestimmt. Dass Wachstum auf Dauer die natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet bzw. zerstört, ficht diese Akteure offensichtlich nicht an. Denn wenn sich Dellen zeigen, wenn das Wachstum schwächelt oder gar ausbleibt, dann werden alsbald Schreckensszenarien gemalt und dringende Aufforderungen zu politischen Wachstumsimpulsen formuliert: Kaufprämien für Autos, Steuererleichterungen für Unternehmen usw.
Wirtschaftswachstum wird üblicherweise gemessen als Wachstum des sog. Sozialprodukts, das die Summe aller Wirtschaftsleistungen einer Volkswirtschaft darstellt, die Summe all dessen, was in einem bestimmten Zeitraum in einem Land für Geld ver- und gekauft worden ist.Statistische Details mögen hier unbeachtet bleiben.
Dieser Wert sei ein Maß für das wirtschaftliche Wohlergehen eines Landes, so heißt es. Aber stimmt das wirklich? Christian Leipert hat bereits 1989 nachgewiesen, dass es nicht stimmt, sondern dass vielmehr zahlreiche Käufe und Verkäufe in diesen Wert eingehen, die keineswegs das Wohlergehen der Menschen steigern, sondern die im Gegenteil als Defensivkosten zu bezeichnen sind, die die durch wirtschaftliche Aktivitäten verursachten Schäden und Verschlechterungen der Lebens- und Umweltbedingungen in einem Land kompensieren müssen. Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten z.B. erfordern ärztliche Hilfe, die als vergütete Leistungen im Soztialprodukt ebenso enthalten ist wie die Kosten für die Beseitigung von Umweltschäden. Und diese machen nach Berechnungen des Autors bereits im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland mehr als 12% des Sozialprodukts aus. Und darin sind die Kosten z.B. für Umweltschäden noch gar nicht enthalten, die erst nachfolgende Generationen in Rechnung gestellt bekommen, weil sie aktuell hingenommen und nicht vermieden werden. Wir rechnen uns wohlhabend, obwohl Schadensbeseitigungskosten alles andere als unseren Wohlstand erhöhen. Und wir fördern ein Wachstum, das ohne Beachtung des sachlichen Inhalts alle Leistungen als wohlstandsfördernd ausweist, die für Geld an den Mann oder die Frau gebracht werden konnten.
Die amtliche Statistik hat angemessene Konsequenzen aus Leiperts Analyse gezogen und diverse sozial-ökologische Ergänzungsrechnungen vorgelegt. Die offizielle Wirtschaftspolitik aber orientiert sich noch immer an diesem schiefen Indikator. Hier ist Umkehr dringend geboten. Auch dieses Buch lässt erkennen, dass es nicht an hervorragenden Analysen fehlt, sondern an der Bereitschaft von Politik und Wirtschaft, daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Wir schreiben immerhin das Jahr 2020!
Die Produkte der Chemischen Industrie sind aus unserem Alltag wie aus vielfältigen Produktionsprozessen in Industrie und Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken. Waren es zu Beginn der industriellen Revolution zunächst chemische Hilfsstoffe für die Textilbearbeitung, die in größeren Mengen von der Textilindustrie benötigt wurden, so ist es heute eine schier unüberschaubare Zahl von Chemikalien – von Gasen über Farben bis hin zu Kunststoffen und Pflanzenbehandlungsstoffen – die in allen Teilen der Welt erzeugt und genutzt werden. Dies hat zwar vieles ermöglicht, das unser Leben bunter und bequemer gemacht hat. Es hat aber auch dazu geführt, dass heute fast mehr Plastik in den Weltmeeren schwimmt als Fische, dass Böden in großem Umfang kontaminiert und ohne weitere Chemie unfruchtbar geworden sind und dass Luftschadstoffe in immer größerem Umfang Schäden anrichten. Die Chemie hat „den Planeten vergiftet“, wie es der Titel des 1992 von Karl Otto Henseling verfassten Buches ausdrückt.
Der Autor charakterisiert die Entwicklung der chemischen Industrie als einen Prozess der möglichst kompletten Verwandlung diverser fossiler Grundstoffe in eine ständig wachsende Zahl nicht in der Natur vorfindlichen synthetischen Stoffe und damit über kurz oder lang in Abfall, dessen Entsorgung nahezu unmöglich ist und der daher kaum beherrschbare ökologische Folgen nach sich zieht. Er entfaltet die Geschichte der Chemie, beginnend bei Soda über Petro-, Stickstoff- und Chlorchemie bis hin zur Chemisierung der Landwirtschaft. Dabei arbeitet er sowohl die Probleme heraus, die bei der Gewinnung und Aufarbeitung der Grundstoffe in Form zunächst unerwünschter Kuppelprodukte entstehen, die oft als Abfälle in Gewässer oder in die Luft eingeleitet werden und dort Schäden verursachen. Mindestens ebenso problematisch sind aber die Folgen der so erzeugten Produkte selbst, wie z.B. der in der Landwirtschaft massenhaft eingesetzten Herbizide, Fungizide und Insektizide, die natürliche Nährstoffkreisläufe zerstören und erheblich zum Artensterben beitragen.
„Sanfte Chemie“ lautet das Schlagwort, in dem Henseling die Zukunfstperspektiven der Chemie bündelt: „Galt bisher die Umwandlung möglichst großer Rohstoffmengen in vermarktbare Produkte (und damit letztlich in Müll) als Erfolgsrezept der Chemie, so gilt es in Zukunft, die gesellschaftlichen Bedürfnisse mit einem minimalen Aufwand möglichst wiederverwertbarer und umweltverträglicher Stoffe zu befriedigen.“ Wenn man nur einmal an die Vermüllung der Weltmeere mit Mikroplastik und an Glyphosat denkt, ist in den knapp 30 Jahren seit dem Erscheinen dieses auch heute noch sehr lesenswerten Buches ist nicht sehr viel davon umgesetzt worden. Eher im Gegenteil.
Auf dem vorläufigen Höhepunkt der Corona-Pandemie in Europa haben wir unfreiwillig deutliche Einschränkungen unserer Konsumgewohnheiten erlebt. Eben mal durch ein Einkaufszentrum bummeln und ein paar Klamotten kaufen war von heute auf morgen nicht mehr möglich. Viele haben das offenbar als Zumutung erlebt und dagegen auf Demonstrationen heftig opponiert. Andere haben – abgesehen von existentiellen Sorgen über die eigene wirtschaftliche Zukunft – die damit verbundene Besinnung auf sich selbst und auf die Frage danach, was wirklich wichtig ist, als durchaus angenehmen Anstoß zur Entschleunigung wahrgenommen. Sie haben erlebt, dass Weniger durchaus in mancher Hinsicht mehr sein kann.
Auch im Zusammenhang mit dem Thema Nachhaltigkeit wird immer wieder das Weniger beschworen. Suffizienz sei dringend geboten, weil wir mit unserem derzeitigen Lebensstil unsere eigenen Lebensgrundlagen zerstören. Dabei wird allerdings Suffizienz zumeist als individuelle Aufforderung verstanden. Jede*r Einzelne solle sich fragen, wie sie*er dem Überflusskonsum entrinnen und dadurch ein gutes bescheidenes Leben gewinnen könne.
Anders die Autorin und der Autor des vorliegenden Buches. Sie konstatieren, dass heute das eigene Konsumniveau absenken vor allem gegen den Strom schwimmen bedeutet, weil alle politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf Wachstum und Beschleunigung drängen. Wer sich bescheidet, ist Rebell oder Looser. Und das wollen die wenigsten sein. Also müssten die Rahmenbedingungen verändert werden, damit Suffizienz für eine größere Zahl von Menschen lebbar werden kann.
Die geforderte Suffizienzpolitik siedeln sie nicht nur im Bereich der Ordnungspolitik an, die ein umfassenderes Wohlstandsmaß entwickeln müsse und durch Wettbewerbs-, Struktur- und Verteilungspolitik den nötigen Rahmen setzen muss. Sie fordern zudem politische Orientierung, Gestaltung und Ermöglichung in den Bereichen Arbeits-, Bildungs-, Gesundheits- und Verbraucherpolitik. Dabei sehen sie nicht nur die staatliche Politik gefordert, sondern auch Unternehmen und Zivilgesellschaft.
Das Buch wurde 2013 veröffentlicht, errang Aufmerksamkeit in der einschlägig befassten wissenschaftlichen Community, initiierte einen Internet-Blog zum Thema Postwachstum. Die notwendige breite publizistische und politische Resonanz blieb ihm verwehrt. Es musste erst Corona kommen, damit eine größere Zahl von Menschen zum Nachdenken über Bescheidung und Befreiung vom Überfluss angestoßen wurde. Immerhin, ein lesenswertes Buch für diejenigen, die Suffizienz nicht nur persönlich leben, sondern auch politisch mitgestalten wollen.
Die „German Angst“ ist sprichwörtlich. Wir Deutsche gelten als Schisser, mindestens aber als Bedenkenträger sonders gleichen. Ob es BSE, die Schweinegrippe, EHEC, die angeblich immer steigende Kriminalität oder eine drohende wirtschaftliche Rezession sind: ein beträchtlicher Teil der deutschen Bevölkerung äußert Angst im Zusammenhang mit diesen Phänomenen. Und die Boulevardpresse tut stets noch eins drauf: „Der Tod steckt in der Mikrobe“, „21Tote bei McDonalds“, „Wann hört das Morden endlich auf?“ sind nur einige der einschlägigen Titelzeilen der größten deutschen Tageszeitung. Andere Phänomene dagegen, denen eine Mehrheit der einschlägig befassten Wissenschaftler erhebliches Bedrohungspotential nicht nur für Deutschland, sondern für die ganze Welt attestiert, scheinen kaum entsprechende Befürchtungen bei den Menschen hervorzurufen: Klimawandel, Artensterben, Ressourcenknappheit oder die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich, national wie global.
Der international bekannte Risikoforscher Ortwin Renn hat zu diesem Thema ein hochinteressantes, allerdings auch mit über 600 Seiten sehr umfangreiches Buch vorgelegt, zu dem ein umfangreicher Verweis- und Ergänzungsapparat im Internet verfügbar ist (http://www.fischerverlage.de/buch/9783596198115). Darin untersucht er das eingangs skizzierte Phänomen und weist nach, dass die klassischen Erscheinungen, die uns Angst machen, unsere Angst in den meisten Fällen nicht verdienen, während die von ihm sogenannten „systemischen Bedrohungen“ uns zwar nicht in Angst versetzen müssen, wohl aber unsere Aufmerksamkeit und unser abwehrendes Handeln dringend benötigen. „Das Buch ist für alle geschrieben, die sich risikomündig verhalten wollen“ (S.31). Der Autor will also seine Leser befähigen, Risiken solide zu beurteilen und falsche Einschätzungen zu vermeiden.
In Deutschland und anderen sog. entwickelten Ländern auf der Autobahn tödlich zu verunglücken, einem Terroranschlag zu erliegen oder an Infektionskrankheiten zu sterben, all diese angstbesetzten Erscheinungen sind in ihrem Eintreffen in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer unwahrscheinlicher geworden. Die mit Abstand bedeutsamsten Todesursachen sind mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs zwei Phänomene, die zu einem beträchtlichen Teil durch vorsorgenden Lebenswandel vermieden oder erheblich reduziert werden könnten. Die weitaus meisten Unfälle passieren im privaten Haushalt, nicht am Arbeitsplatz oder im Straßenverkehr, könnten also ebenfalls durch persönliche Bedachtsamkeit auf ein Minimum beschränkt werden. Mord und Totschlag kommen wesentlich weniger häufig vor, als uns die Boulevardpresse glauben machen will. Pro 100.000 Einwohner gibt es jährlich etwa 3 Mord- oder Totschlagsopfer, aber 12 Suizide. Es ist überwiegend das eigene Handeln, das uns bedroht, nicht etwa Fremdverschulden, so sehr die Selbstmordmotive auch in gestörten sozialen Beziehungen zu suchen sein mögen.
Risiken dagegen, die schleichend daherkommen, die sich unserer direkten Wahrnehmung dadurch entziehen, dass wir sie zumeist weder sehen noch schmecken oder riechen können, und die auch in den publizistischen Medien, weil sie nicht spektakulär oder skandalisierbar sind, kaum in den Vordergrund gerückt werden, beachten wir viel zu wenig. Dass der Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten gravierende Folgen für uns alle haben wird und dann möglicherweise durch unser Handelns nicht mehr zu stoppen sein wird, schert viele von uns kaum. Da mögen Wissenschaftler noch so deutlich warnen. Wer schert sich wirklich um den Verlust der Urwälder oder das Artensterben? Wen in Europa interessieren wirklich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in Afrika oder in Bangladesch. Auch dies sind Phänomene, die sich unserer Wahrnehmung jenseits einzelner Medienberichte nicht so aufdrängen und uns daher nicht so nahegehen wie ein Terroranschlag, der tagelang die Medien beherrscht.
Der Autor beleuchtet die Ursachen für die signifikante Überschätzung „direkter“ Risiken und die Geringschätzung globaler ökologischer und sozialer Risiken. In einem kompakten Fazit gibt er schließlich auch Antworten auf Fragen, wie wir individuell und gesellschaftlich nicht nur eine angemessene Risikoeinschätzung entwickeln, sondern auch den „echten“ Risiken so begegnen, dass wir ihr Schädigungspotential so weit wie möglich verringern oder sogar beseitigen können. Auch wenn es seinen Lesern ein gehöriges Lesepensum aufbürdet, zumal denen, die auch die weiterführenden Quellenangaben, Erläuterungen und Texte studieren wollen: Ein sehr lesenswertes Buch!
In der sog. neoklassischen ökonomischen Theorie, die den Menschen auf den Homo Oeconomicus reduziert, ist ein Axiom recht verbreitet: die sog. Substitutionsannahme, in der unterstellt wird, dass das sog. Naturkapital, also z.B. fossile Rohstoffe der verschiedensten Art oder Fischbestände in den Meeren entgegen der vorherrschenden Meinung eigentlich gar nicht begrenzt verfügbar sind, weil sie prinzipiell durch menschengemachtes Kapital ersetzbar sind. Das heißt dann z.B., wenn Bäume übermäßig gefällt werden, so dass Holz als Werkstoff nicht mehr nachwächst, ersetzen wir ihn eben durch Plastik oder andere synthetische Stoffe. Und die Bäume, die uns mit ihrem Anblick erfreuen, durch Plastikbäume, die muss man noch nicht einmal gießen. Zugegeben, dieses Axiom wird inzwischen auch innerhalb der Ökonomie vielfach kritisch gesehen, die Unersetzbarkeit und damit im Sinne der Nachhaltigkeit die Nicht-Substituierbarkeit der natürlichen Lebensgrundlagen inzwischen weitgehend anerkannt. In Lehrbüchern aber kann man die Substitutionsannahme durchaus noch finden.
Warum passt die Erwähnung eines ökonomischen Irrglaubens an den Anfang einer Rezension der deutschsprachigen Neuerscheinung des Buches „The Real Wealth of Nations“ von Riane Eisler? Die Autorin dieses sehr lesenswerten Buches stellt eine andere unersetzliche Grundlage unseres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen. Sie bleibt zwar von der herrschenden Ökonomie nicht völlig unbeachtet, wird aber dennoch in Theorie und Praxis sträflich vernachlässigt: Die überwiegend von Frauen geleistete Arbeit im Bereich der Ernährung, Erziehung, Fürsorge und Pflege der ihnen in Familie, Privathaushalt und im sog. Non-Profit-Sektor der Wirtschaft anvertrauten Menschen, die von der Autorin sogenannte „Caring Economy“.
Damit widmet sich das Buch einer zweiten von der herrschenden Ökonomie vernachlässigten Grundlage unseres Lebens und Wirtschaftens, dem Menschen selbst. Dessen Fähigkeiten, Werthaltungen und Sozialkompetenzen wachsen bekanntermaßen nicht wie Äpfel an den Bäumen. Sie müssen im Prozess der Sozialisation unter direkter persönlicher Zuwendung von Angehörigen und anderen Bezugspersonen entwickelt werden. Und wenn sie durch Krankheit oder andere Umstände vorübergehend in Mitleidenschaft gezogen sind, bedarf es erneut der Zuwendung anderer Menschen, um sie wieder herzustellen.
Dies ist der Sektor der von der Autorin sogenannten Caring Economy, dem neben der Resource Economy (so nennt Eisler die natürlichen Lebensgrundlagen) zweiten fundamentalen Lebensbereich, dessen Vorhandensein und Funktionsfähigkeit von der herrschenden Ökonomie vorausgesetzt werden, ohne dass sie sich diesen Bereichen wirklich zuwendet. Die Natur ist irgendwie da, gut so. Sie zu bewahren, ist eher die Sache unverbesserlicher Gutmenschen als Aufgabe der Ökonomie. Und auch die Akteurinnen der Caring Economy sind offensichtlich blöd genug, all die Leistungen im Bereich Erziehung, Fürsorge und Pflege freiwillig mit geringer sozialer und oft völlig ohne finanzielle Anerkennung zu erbringen. In einer Gesellschaft, die sich nahezu vollständig über das Finanzielle definiert und soziale Anerkennung wie wirtschaftliches Wohlergehen am Geldeinkommen festmacht, ist der Caring-Sektor zwar irgendwie notwendig, aber doch irgendwie „Gedöns“, wie der ehemalige Bundekanzler Schröder es einmal ausdrückte.
Riane Eisler kritisiert diese Leerstelle der Ökonomie nicht nur, sie entwickelt mit dem Partnerismus die Konturen eines alternativen Wirtschaftssystems jenseits von Kapitalismus und Sozialismus, das Elemente aus beiden Systemen verbindet und in den Kontext einer wahrhaft partnerschaftlichen, auf Empathie gegründeten Wirtschafts- und Lebensweise stellt. Denn nicht nur im Bereich der Carin Economy sieht sie Bedarf an menschlicher Zuwendung und Kooperationsfähigkeit. Auch im Erwerbssektor, bei der Technologieentwicklung und in der Politik diagnostiziert sie Defizite, die aus der gewachsenen Dominanzkultur männlicher Prägung resultieren und über Jahrhunderte Leben und Wirtschaft geprägt haben. Hier Änderungen durchzuführen heißt nichts anderes als eine Kulturrevolution zu initiieren, die Menschlichkeit, Partnerschaftlichkeit und Egalität an die Stelle von Herrschaft, Dominanz und Konkurrenz setzen. Wie die dauerhaften Spitzenpositionen von Ländern mit eher geringen sozialen Unterschieden wie Dänemark und Finnland auf der weltweiten Rangliste des Glücks beweisen, sind es genau diese Merkmale, die deutlich mehr zum menschlichen Wohlergehen beitragen als die etablierten wirtschaftlichen Reichtumswerte von Gesellschaften mit großen ökonomischen und sozialen Differenzen.
Als praktische Schritte auf dem Weg dahin fordert Eisler zunächst ein gesamtwirtschaftliches Kennzahlensystem, das das Wohlergehen der Gesellschaft nicht allein – wie heute üblich – in monetären Zahlen wie dem Bruttoinlandsprodukt misst, in dem auch Verkehrsunfälle und die Beseitigung von Umweltschäden als Wohlstandszugewinn ausgewiesen werden. An dessen Stelle sollte ein Sozialer Wohlstandindex treten, wie er derzeit vom Center for Partnership Studies entwickelt wird. Diese Kennzahl weist vor allem die hohe Bedeutung des Care-Sektors für die Gesamtwirtschaft nach, ist aber erweiterbar z.B. um Kennzahlen aus dem Umwelt- und anderen bisher nicht erfassten Sektoren. Vorschläge für derartige erweiterte gesellschaftliche Wohlstandsmaße gibt es bereits einige.
Darüber hinaus müssen die Einkommen von Frauen und die gesellschaftlichen Investitionen in den Bereich der Care Economy so erhöht werden, dass Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und Wirtschaftsbereichen erreicht wird und bisher als weiblich und inferior angesehene Arbeit der vermeintlich produktiveren und anspruchsvolleren Männerarbeit gleichgilt. Dazu sollten und können sowohl Wirtschaft und Politik als auch zivilgesellschaftliche Organisationen und natürlich jede*r Einzelne Beiträge leisten. Leider kommt die Autorin an dieser Stelle selten über Apelle hinaus. Könnten wir nicht z.B. von Sparta lernen, wo die Frauen mit einem allgemeinen Streik ihre Männer gezwungen haben, auf einen Krieg zu verzichten?
Insgesamt bleibt die Autorin bleibt realistisch: „Der Wandel von einem dominanzgeprägten zu einem vornehmlich partnerschaftlichen Gesellschaftsmodell bedeutet nicht, dass wir in einem reinen Partnerschaftssystem leben werden. Es ist unrealistisch, von einer idealen Gesellschaft zu träumen. Aber wenn wir die aktuelle Rückentwicklung … (CETA, Mercosur, Bolsonaro, Trump, Putin usw. d.Vf.) umkehren wollen, müssen wir Grundlagen für eine demokratischere, friedlichere, wirtschaftlich gerechtere und ökologisch nachhaltigere Welt schaffen.“(S. 179/180) Dieser Aufforderung ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen. Es ist unbedingt zu empfehlen, dieses wichtige Buch aufmerksam zu lesen und den darin vorgezeichneten Weg weiter zu gehen.
Nicht immer nur reden, sondern handeln! Das ist die Leitschnur des Praxisratgebers zur Nachhaltigkeit im Alltag, den die Autoren Leena Volland und Florian Schreckenbach, die auch den Blog nachhaltig-sein.info betreiben, 2016 vorgelegt haben und der ganz im Sinne des Vermeidens unnützen Ressourcenverbrauchs per print on demand erst gedruckt wird, wenn man das Buch definitiv bestellt, oder auch als e-book verfügbar ist.
Darin geht es den Autoren vor allem darum, unmittelbar praktisch realisierbare Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, allerdings nicht ohne vorher wenn möglich mit harten Zahlen belegte Hintergrundinformationen zu liefern. Dabei wenden sie sich in erster Linie an ihre Leser*innen als Konsument*innen. Alle aus ihrer Sicht wichtigen Konsumbereiche werden nach und nach abgehandelt, beginnend bei der Ernährung, über Kleidung, Elektronik und Internet bis hin zur Freizeit und Events. Das Darstellungsmuster ist stets das Gleiche: Zunächst werden die wichtigsten Hintergrundinfos zu Fragen der Nachhaltigkeit oder zumeist der Nicht-Nachhaltigkeit in den jeweiligen Bereichen geliefert, bevor dann die insgesamt 350 praktischen Handlungstipps aufgelistet werden, die dazu verhelfen können, den individuellen Fußabdruck zu reduzieren.
Ein Beispiel: In Bezug auf die Umweltinanspruchnahme, die mit der Nutzung des Internets verbunden ist, werden zunächst Fakten zusammengetragen, z. B. die Tatsache, dass eine animierte Figur des Videospiels Second Life nahezu genauso viel Strom verbraucht wie ein realer Mensch, dass eine einzige Google-Suche etwa so viel Strom verbraucht wie eine Energiesparlampe in einer Stunde und dass die Internet-Nutzung in Deutschland insgesamt für fast 20% des Stromverbrauchs verantwortlich ist, mit deutlich steigender Tendenz. Dann folgen die Tipps, was man tun kann: Die Geräte länger nutzen, nur die IT-Komponenten kaufen, die man wirklich braucht, Alternativen zu Google wie etwa Ecosia verwenden, Kompensationsmöglichkeiten in Anspruch nehmen, wie sie z.B. bei Flugreisen angeboten werden u.ä. Einfach mal weniger im Netz daddeln und statt eines Computerspiels im Netz mal wieder ein Brettspiel mit echten Menschen zu spielen, gehören leider nicht zu den Empfehlungen. Schade eigentlich, denn ohne weniger wird es keine Nachhaltigkeit geben.
Im erfreulichen Gegensatz zu vielen Nachhaltigkeitsverfechtern, die vor allem auf technische Lösungen wie E-Autos anstelle von Verbrennern setzen, plädieren die Autorin und der Autor vor allem für Verhaltensänderungen. Was mir fehlt, sind Priorisierungen, wie sie etwa Michael Bilharz in seinem Buch zu den „key points“ nachhaltigen Konsums bereits 2007 vorgenommen hat. Er zeigt, dass die Bereiche Ernährung (die im Buch abgehandelt wird) und vor allem auch Wohnen und Mobilität für mehr als 80% der Umweltbelastungen in Deutschland verantwortlich sind, dass dies also die wichtigen Stellschrauben sind, an denen wir drehen müssen, um spürbar voran zu kommen. Vieles davon liegt allerdings natürlich nicht mehr nur in der Hand der einzelnen Konsument*innen, ist aber dann auch nicht so beliebig wie die Empfehlungen dieses Buches.
Trotz dieser Einwände: Für alle, die sich selbst auf den Weg zu einem nachhaltigeren Leben machen wollen und die sich bisher vielleicht noch kaum damit befasst haben, ein sehr empfehlenswertes Buch, genau wie der Blog, den die beiden Verfasser*innen betreiben.
In unserer Gesellschaft herrsche ein schizophrenes Spannungsverhältnis zwischen den oft beschworenen positiv konnotierten sozialen Alltagswerten rund um Begriffe wie Solidarität und Empathie und den viel mehr das tägliche Verhalten bestimmenden Wirtschaftswerten wie etwa Geiz (eine der sieben Todsünden!) oder Konkurrenz. Ausgehend von dieser These entwickelt Christian Felber in seinem 2010 in Erstauflage erschienenen Bestsellerbuch das Modell der Gemeinwohl-Ökonomie, mit dem er auch im Wirtschaftsleben den oft vernachlässigten Alltagswerten umfassende Geltung verschaffen will.
Weil Konkurrenz als herrschendes Prinzip der derzeitigen Wirtschaft insgesamt Menschen und Natur mehr schädigt als nützt, sollen an ihre Stelle Kooperation, Solidarität und Humanität treten. Anknüpfend an den bereits von Aristoteles herausgearbeiteten Gegensatz von Chrematistik (rein am Geldverdienen orientierte Konkurrenzökonomie) und Oikonomia (sparsamer Haushaltsführung) soll Wirtschaft wieder in den Dienst der Menschen genommen werden. Unternehmen sollen sich diesen Werten verpflichtet fühlen und in einer jährlich zu publizierenden Gemeinwohlbilanz der Gesellschaft Rechenschaft darüber ablegen, in welcher Weise und in welchem Umfang sie ihren Dienst an der Gesellschaft erbraht haben.
Das klingt sehr gut, haben sich wohl viele Leser gedacht, und aus der Leserschaft wurde eine inzwischen stattliche soziale Bewegung mit inzwischen 30 Fördervereinen und allein im deutschsprachigen Raum ca. 250 Unternehmen als Unterstützern wie z.B.
der Sparda Bank München und dem Outdoor-Ausrüster VauDe. Die Bilanz ist eine Matrix aus insgesamt 17 Gemeinwohlindikatoren, die jeweils in bis zu vier Subindikatoren aufgegliedert und mittels eines Punktesystems zu einem Gesamturteil aggregiert werden können. Zudem kann die Bilanz von einem unabhängigen externen Prüfer zertifiziert werden und so an Glaubwürdigkeit gewinnen.
Zweifellos stellt das Konzept einen anspruchsvollen Ansatz dar, der sich allerdings mit der Frage nach der Verallgemeinerbarkeit des darin postulierten Gemeinwohlbegriffs konfrontiert sieht. Kritiker halten Felber vor, mehr ein Geschäftsmodell und weniger einen substantiell tragfähigen Entwurf für eine humane Wirtschaft entwickelt zu haben. Die Kritik an der herrschenden Wirtschaft sei wohlfeil, der Entwurf einer Gemeinwohl-orientierten Wirtschaft dagegen eher schwammig und schwer objektivierbar. Ich halte diese Kritik für nachvollziehbar, denke aber, dass das Nachdenken über Konzepte eiiner sozialen Wirtschaftsweise auf jeden Fall nützlich ist und die mangelnde Messbarkeit in harten Zahlen kein Argument dafür darstellt, dass man Bemühungen um die Orientierung wirtschaftlichen Handelns an notwenig eher qualitativen Dimensionen eines "guten Lebens" nicht von vornherein als utopisch, weil nicht quantifizierbar zurückweisen darf. Denn lettzlich ist es die Scheinobjektivität des Geld-Maßstabs, an dem heute alles gemesssen wird, und die letzen Endes für die Aporien unserer Wirtschaftsweise und die mit ihr verbundenen vielfältigen Kollateralschäden verantwortlich ist. Auf jeden Fall ein lesenswertes Buch.
UNSERE WELT NEU DENKEN - EINE EINLADUNG
Nachhaltige Entwicklung hat viel damit zu tun, in welchen Strukturen und nach welchen Handlungsmustern die Menschen die Mittel her- und bereitstellen, die sie für ihren Lebensunterhalt benötigen oder zu benötigen meinen. Spätstens seit der sog. Industriellen Revolution wird dieser zentrale Lebensbereich Wirtschaft genannt und in Strukuren betrieben, in denen finanzielle Aspekte die zentrale Rolle spielen. Federführend sind dabei die Wirtschaftswissenschaften, die sich einerseits darum bemühen, das wirtschaftliche Handeln der Menschen zu erklären, andererseits aber auch Mittel und Wege entwickeln, um das wirtschaftliche Handeln mit Instrumenten zu versorgen, die seine Ausgestaltung verbessern können. Hier ist es insbesondere das Menschenbild des homo oeconomicus, das den Modellen weiter Teile der Ökonomik zugrundeliegt und das zudem längst den Weg aus den Lehrbüchern hin die Wirklichkeit gefunden hat.
Die Autorin des vorliegenden Buches ist Wirtschaftswissenschaftlerin und bemüht sich, ausgehend von den Grundmodellen der Wirtschaftswissenschaften ihre Leserinnen und Leser mit einem neuen wirtschaftswissenschaftlichen Denken vertraut zu machen, das die Irrwege und Sackgassen der herrschenden Ökonomik überwindet und Wirtschaft und Gesellschaft auf den Weg zur Nachhaltigkeit zu bringen. Den Beginn dieses neuen Denkens datiert sie auf den 21. Dezember 1968, als die Apollo 8 Mission der USA ein Farbfoto aus dem All mitbringt, das zum ersten Mal die Erde in ihre Gesamtheit auf einem Farbfoto zeigt, "die einflussreichste Umweltfotografie, die jemals gemcht wurde." Denn aus ihr wird deutlich, dass die Menschheit nur diesen einen fragilen Planeten hat, den es zu schützen und zu bewahren gilt, wenn wir überleben wollen.
Maja Göpel nimmt ihre Leser mit auf den Weg, den die Menschheit seither gegangen ist: Seither hat sich die Zahl der Menchen mehr als verdoppelt, die auf der Erde leben, und die Menge der Naturvorräte, die wir weltweit verbrauchen, ist bereits vor Mitte des Jahres verbraucht, die restlichen Monate leben wir "auf Kredit". Es ist in rasend kurzer Zeit eine "volle Welt" geworden, die es notwendig macht, in anderen Struturen und nach anderen Mustern zu wirtschaften als bisher. Das Buch zeichnet ausgehend vom 1971 erschienenen Grundlagenwerk "Grenzen des Wachstums" diese anderen Denk- und Handlungsweisen nach und weist nach, dass die realen wirtschaftlichen Akltivitäten den ökologischen Notwendigkeiten immer noch diametral entgegenstehen. Dabei werden auch die Altvorderen und Nobelpreisträger der Ökonomik nicht geschont. In auch für ökonomische Laien sehr gut lesbarer Weise entwickelt die Autorin ihre Kritik an der immer noch herrschenden (neo)klassischen Ökonomik und ihre Vorstellungen einer nachhaltigen Wirtschaftsweise, deren Etablierung mit jeder Starkregenflut und mit jedem Feuersturm immer dringender wird. Unbedingt lesen!
Eigentlich will sie jeder, der sich irgendwie dazu äußert, die sog. Energiewende, d.h. die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Ressourcen, Wind, Sonne, Biomasse usw. In der Europäischen Union gibt es sogar interessierte Kreise, die eine friedliche Nutzung der Atomkraft, z.B. in Form neuer "kleiner" und damit vermeintlich harmloser Anlagen, ebenfalls unter der Überschrift Energiewende fassen wollen, sei es weil sie selbst oder weil Unternehmen aus ihren Ländern Atomkraftwerke betreiben oder solche kleinen Anlagen verkaufen wollen. Auch in Deutschland, wo das Thema Atom zum Glück durch ist, wird Energiewende durchaus unterschiedlich buchstabiert. Ein sein jüngerer Zeit grün gewandeter süddeutscher Landesvater will am liebsten grünen Strom aus Offshore-Anlagen per Stromautobahn einmal durchs ganze Land transportieren, weil bei ihm daheim der Wind nur so selten weht.
Im Ernst: Das Projekt Energiewende ist eines der zentralen Projekte beim Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit. Und - jedenfalls wenn man Axel Berg, dem aktuellen Vorsitzenden der deutschen Sektion von Eursolar folgt - ist sie recht einfach durchsetzbar. Politik müsste nur den Mut aufbringen, die tradierten Geschäftsmodelle der großen Energiekonzerne zum alten Eisen zu werfen und konsequent ein dezentrales Energiesystem aufbauen helfen, an dem vor allem diejenigen als sog. Prosumenten mitwirken, die den Strom selbst nutzen, Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und kleine regionale Versorger. In seinem Buch "Energiewende einfach durchsetzen" räumt er mit der Vorstellung auf, dass eine Energiewende unter Beibehaltung der aktuell vorhandenen Geschäftsmodelle weniger großer Konzerne gelingen kann, entlarvt die Warnungen vor einem Blackout und das Beharren auf dem großflächigen Ausbau der Netze als rein interessengesteuert und entwickelt seine Vorstellungen von dezentraler Energieerzeugung und -verwendung sowie intelligenten Produktions- und Verteilungsstrukturen. Er weist nach, dass die fossile Energiewirtschaft einschließlich der Atomindustrie schon heute nur dank massiver staatlicher Subventionen überlebensfähig ist. Dezentrale und Nutzer-nahe Energieerzeugung macht zwar Investitionen erforderlich, Sonne und Wind liefern dann aber den Strom nahezu kostenlos und bei Nutzung intelligenter Spreicher auch in erforderlicher Menge. Ein wenig zu kurz kommen bei diesem Plädoyer aus meiner Sicht die Notwendigkeiten des Einsparens von Energie z.B. im Bereich von Gebäuden und im Verkehr. Insgesamt aber ist dieses Buch überaus lesenswert. Bleibt zu hoffen, dass die neue Bundesregierung anknüpft an den mutigen Schritt der rot-grünen Koalition unter Gerd Schröder, an deren Enerneuerbarem Energien-Gesetz der Autor als SPD-Bundestagsabgeordneter seinerzeit mitgewirkt hat.
Von Fernseh-Wetterfröschen, die täglich die Wetterprognosen für die kommenden Tage präsentieren, erwartet man nicht unbedingt profunde Aussagen zum Klimawandel, auch wenn es immer mehr Vertreter*Innen dieses Faches gibt, die auch die Wettervorhersagen nutzen, um den Fernsehzuschauern den menschengemachten Klimawandel nahezubringen. Sven Plöger macht noch mehr. Er schreibt Bücher, die sich sogar auf der Spiegel Bestsellerliste weit vorn platzieren, zu Recht wie ich finde.
Das Buch "Zieht euch warm an, es wird heiß" trägt zwar einen etwas skurillen Titel, denn wenn es heiß wird, neigt der Mensch ja eher dazu, so wenig wie möglich anzuziehen. Inhaltlich ist das Buch jedoch ein Volltreffer. Auf ca. 300 Seiten liefert Plöger nicht nur eine ehrliche Bestandsaufnahme, er liefert seinen Lesern profunde Informationen zum Verständnis des Klimawandels und diskutiert kundig die Einwände von vermeintlichen Experten, die leugnen, dass der derzeit beobachtbare Klimawandel auf menschliche Einflüsse zurückzuführen ist. Zum Schluss fächert er den Katalog der Handlungsmöglichkeiten auf, die uns zur Verfügung stehen, um mindestens die auf der Pariser Klimakonferenz vereinbarten Ziele zu erreichen. Seine zentrale Botschaft hier: "Was tun? Inch könnte nun sagen 'von allem weniger' und das Buch schließen. Denn fast egal, wie Sie dies auch umsetzen sollten - es würde helfen."
Er schließt nicht an dieser Stelle, sondern fächert auf, was getan werden kann, ohne dass es die Menschheit überfordert: Kohlenstoffsenken (Wälder, Moore und Meere) renaturieren und schonen und Kohlenstoffquellen (insbesondere die Nutzung fossiler Energieträger) schließen. Zentral an dieser Stelle: die Energiewende, aber selbstverständlich ohne Atomstrom. Ein wirklich empfehlenswertes Buch, weil hier nicht missioniert wird, sondern in kühler naturwissenschaftlicher Manier die Fakten zusammengetragen und bewertet werden.
Dass Vater und Sohn gemeinsam ein Buch schreiben, kommt gewiss nicht besonders häufig vor, hier aber doch: Vater Robert und Sohn Edward Skidelsky, beide Professoren unterschiedlicher Fachrichtungen (Wirtschaftswissenschaft bzw. Philosophie) nehmen sich eine Frage vor, die für die meisten Menschen durch aus legitim sein dürfte,nämlich die Frage nach dem Genug. Wird es irgendwann soweit sein, dass Wirtschaftswachstum für die Menscheit ein Auslauifmodell ist, dem sie nichts mehr abgewinnen können? Dabei wird der Ökonom Robert Skidelsky wissen, dass diese Frage für die meisten Vertreter seines Faches völlig abwegig ist. Denn für die Ökonomie gibt es definitionsgemäß kein Genug: Sie ist überzeugt, dass wir Menschen unersättlich sind, dass wir nie genug haben werden. Eine löbliche Ausnahme bildet hierbei John Maynard Keynes, der 1929 in einem Aufsatz sogar die Überzeugung äußerte, dass die Menschheit in absehbarer Zeit in der Lage sein werde, ihre materiellen Bedürfnisse in einem Bruchteil der bis dahin üblichen täglichen Arbeitszeit zu befriedigen, und dass ansonsten ein Leben mit Muße und freier Betätigung dann für alle anbrechen werde. Die große Mehrheit der Ökonomenzunft aber ist davon überzeugt, dass das Streben nach immer mehr so etwas wie eine anthropologische Konstante ist, so das sich die Frage nach dem Genug niemals stellen wird.
Nun wissen wir spätestens seit Veröffentlchung der "Grenzen des Wachstums" 1972, dass die Begrenzteit der Erde, was verfügbare Naturvorräte und die Absorptionsfähigkeit für Abfälle angeht, dem Wirtschaftswachstum natürliche Grenzen setzt, auch wenn die Prognosen des Club of Rome im Detail nicht eingetroffen sind. In den 50 Jahren seit Veröffentlichung der Studie hat jedoch weltweit genau das Gegenteil einer Wachstumsbegrenzung stattgefunden, so dass sich die Frage nach den Grenzen immer dringlicher stellt. Die Skidelskys stellen also tatsächlich eine richtige und wichtige Frage.
Sie beantworten sie in langer und für den wissenschaftshistorisch weniger interessierten Leser gewiss hier und da mühsam zu bewältigenden Auseinandersetzung mit diversen Fachökonomen. Danach aber entwickeln sie einen Katalog von sieben Basisgütern, deren Verfügbarkeit aus ihrer Sicht für jeden Menschen gegeben sein muss, um ihn zu dem zu ertüchtigen, was berechtigterweise "gutes Leben" genannt werden kann. Dies sind: Gesundheit, Sicherheit, Respekt, Persönlichkeit, Harmonie mit der Natur, Freundschaft und Muße, alles Güter, die am Markt nicht angeboten und gegen Geld erworben werden können, sondern für deren Ausbildung staatliche Rahmensetzungen und persönbliches Bemühen erforderlich sind. Gründend auf einem paternalistischen Staatsverständnis fordern sie, dass die Politik Vorkehrungen trifft, die es den Menschen ermöglichen, eigenständige Schritte zur Entwicklung und Verfügbarkeit der Basisgüter zu unternehmen. Dies sind ihrer Auffassung nach ein Bedingungsloses Grundeinkommen, die Begrenzung des überbordenden Statuskonsums durch eine progressiv wachsende Besteuerung der individuellen Konsumausgaben ab einer zu bestimmenden Konsumhöhe, eine Begrenzung der Unternehmenswerbung durch Verbot, Werbeausgaben als Kosten steuermindernd geltend zu machen sowie eine internationale Limitierung des Welthandels, der derzeit überwiegend global tätigen Konzernen, nicht aber den Menschen, am wenigstens denen in den Entwicklungsländern nützt. Das "gute Leben", das die Autoren ermöglichen wollen, findet damit wesentlich außerhalb des derzeit dominanten Makrt- und Konkurrenz-Systems statt, das auf die Funktion eines Dieners der Grundversorgung mit materiellen Gütern begrenzt wird, während das Leben der Menschen im außermarktlichen Miteinander stattfindet.
Ich habe das Buch mit großem Interesse gelesen und finde viele der geäußerten Gedanken sehr bedenkenswert. Einem nicht fachwissenschaftlich interessierten Leser hätten die Autoren einige argumentative Umwege durchaus ersparen können. Das Buch zieht keine klare Grenze vom Fachbuch für ein wissenschaftliches Publikum zum Sachbuch für den interessierten Laien. Zudem kann ich nicht erkennen, wie die unterbreiteten Ideen zur Versorgung der Menscheit mit den sog. Basisgütern im politischen Geschäft realisierbar sein sollen. Auch wenn es zur Bewahrung unserer Lebensgrundlagen wünschbar wäre, der Politiker oder die Politikerin, die ihren Wählern das Skidelsky-Programm als Wahlprogramm zumuten mögen, müssen - meine ich - erst noch geboren werden oder sie laufen vielleicht schon an den Friday-for-Future-Demonstartionen mit. In freier Wahl gewählt würden sie nach meiner Erwartung allerdings wohl nicht. Dazu sind die zum Aussteigen aus der Tretmühle bereiten Menschen heute noch eine zu kleine Minderheit.
Wird fortgesetzt.....