Klimakommunikation

 

  „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Dieser Satz geht zurück auf den österreichischen Kommunikationsissenschaftler Paul Watzlawick,  der damit zum Ausdruck bringt, dass jede*r von uns, sofern mit anderen Personen konfrontiert, stets kommunikative Signale von sich gibt, die von seinen Mitmenschen wahrgenommen werden (können), auch wenn sie nicht verbaler Natur sind. Typischerweise kommunizieren wir über Klima- und Nachhaltigkeitsthemen allerdings in Wort und Schrift. Wie sollten wir das tun? Wie können wir vor allem erreichen, dass über nachhaltige Entwicklung nicht nur geredet und geschrieben, sondern gehandelt wird?

 

 

   In letzter Zeit hört man, wenn man das Thema Klimaschutz oder Nachhaltigkeit anspricht, immer wieder von Gesprächspartnern: „Lass mich doch mit dem Thema in Frieden, ich kann’s nicht mehr hören.“ Es scheint so zu sein, dass viele, vielleicht die meisten Menschen sich recht gut informiert fühlen. Sie wissen, dass z.B. Klimaschutz dringend notwendig ist, dass das Artensterben bekämpft werden muss und die Vermüllung der Meere durch Plastik aufhören muss. Das führt allerdings nicht dazu, dass wirklich viele zielführende Maßnahmen getroffen werden, im Gegenteil: Es geschieht viel zu wenig, sagen jedenfalls die Nachhaltigkeits-Wissenschaftler. Es gibt eine große Lücke zwischen dem Wissen und dem Handeln im Bereich Nachhaltigkeit.

  Das Phänomen ist nicht neu und keineswegs auf das Klima- oder Nachhaltigkeitsthema beschränkt. Auch in vielen anderen Bereichen reden wir anders als wir handeln. Wir wissen, dass zu viel Essen und zu wenig Bewegung zu Adipositas führen kann, dennoch ist fast jeder vierte Deutsche stark übergewichtig. Wir wissen, dass der Staat auf unsere Steuern angewiesen ist, versuchen aber trotzdem, möglichst wenig Steuern zu zahlen. Reden, wissen und handeln klaffen oft auseinander.

  Beim Nachhaltigkeitsthema kommt noch dazu, dass praktisch jedes Unternehmen heute in einer Weise über Nachhaltigkeit kommuniziert, die vielen von uns auf die Nerven geht. Da hat man nämlich den Eindruck, dass praktisch kein Unternehmen mehr irgendetwas Nicht-Nachhaltiges zu berichten hätte und dass es so gut wie kein Produkt mehr gibt, das nicht nachhaltig ist. Nur dass praktisch alle einschlägigen Zahlen erkennen lassen, dass genau das Gegenteil der Fall ist: Klimawandel, Artensterben, Vermüllung und Vergiftung der Umwelt werden jedes Jahr schlimmer, nicht besser.

  Allerdings scheint ehrliche Kommunikation von bloßen Fakten über das Thema oft Gefahr zu laufen, das Gegenteil von dem zu bewerkstelligen, was sie erreichen will. Die Leute sagen: wissen wir doch, aber machen genau so weiter wie bisher auch oder schimpfen über die „Öko-Meckerer“. Die Annahme, dass fehlendes Wissen das wichtigste Hindernis für konsequentes Handeln darstellt, ist offenbar falsch. Klima- bzw. Nachhaltigkeitskommunikation muss den spezifischen Handlungskontext der Adressaten berücksichtigen, wenn sie handlungswirksam werden will. Sie muss auch vermeintlich „weiche Faktoren“ wie Werte, Normen, Emotionen oder soziale Bezüge einbeziehen, die für uns Menschen handlungswirksam sind. Wie kann das gelingen?

  Dazu wird eine Art Fahrplan vorgeschlagen:  Zunächst sei zu klären, welche Hindernisse einer wirksamen Kommunikation entgegenstehen und daraus abzuleiten, welche Inhalte für die anzusprechende Zielgruppe unter den gegebenen Bedingungen geeignet sind. Auch weitverbreitete Falschinformationen sollten berücksichtigt und gefragt werden, warum diese für viele Menschen attraktiv sind und wie sie sich dennoch widerlegen lassen. Menschen lassen sich von Positivbeispielen ermutigen. Viele sind zu umweltfreundlichem Verhalten bereit, wenn andere mitziehen. Schließlich sollte Nachhaltigkeitskommunikation Werte wie Respekt und Gegenseitigkeit aufgreifen, die Menschen im Alltag wichtig sind. Die Menschen mit ihren Gefühlen, Ressentiments und Fähigkeiten da abzuholen, wo sie aktuell stehen, kann als Grundsatz formuliert werden.

  Auch die Verhaltensökonomie gibt wichtige Hinweise.  Verhaltensökonomen gehen davon aus, dass Menschen – entgegen der althergebrachten Annahmen der neoklassischen Ökonomie – sich typischerweise nicht rational verhalten, also genau nicht nur Fakten bei ihren Entscheidungen ausschlaggebend sind. Sie hat die Tatsache, dass menschliches Verhalten von einer Vielzahl verschiedener Einflussfaktoren beeinflusst wird, in vielfältigen Experimenten nachgewiesen. Aus diesen kann man ableiten, dass z.B. bei Entscheidungen oft die Regel „Bauch schlägt Kopf“ gilt, also Gefühl vor Vernunft rangiert oder dass kooperatives Verhalten vorrangig dann praktiziert wird, wenn die Personen sich fair behandelt fühlen.

  Klimakommunikation sollte daher, wenn sie Handlungswirksamkeit entfalten will, weniger an – eh‘ längst bekannten Fakten – ansetzen, als vielmehr Gefühle adressieren und auf kooperative Möglichkeiten hinweisen, bei denen auch andere Menschen mitmachen. Nicht zuletzt können auch argumentative „Schubser“ der Freiwilligkeit nachhelfen. Wenn z.B. ein Hotel die Menge der schmutzigen Wäsche reduzieren will, hieße das, im Gästebad darauf hinzuweisen, dass „9 von 10 Gästen ihre Handtücher öfter als einmal benutzen“ statt lediglich zu sagen, dass man etwas für die Umwelt tun könne. 

  Die seriösen Nachhaltigkeits- und Klimaforscher sind sich einig, dass der aktuelle Klimawandel menschengemacht ist und dringend Abhilfe geschaffen werden muss. Aber es gibt leider einige Lautsprecher, die immer wieder mit Leugnungstiraden auffallen. Originalton Donald Trump auf Twitter: „Im schönen Mittelwesten sinken die Temperaturen gerade auf minus 50 0C, die niedrigsten Temperaturen, die jemals gemessen wurden. Was zur Hölle ist los mit der Erderwärmung? Bitte komm‘ schnell zurück, wir brauchen Dich!“ Originalton Beatrix von Storch (AFD) bei jung und naiv: „Wir sollten der Sonne erklären, dass sie nicht so viel scheinen soll... Wir sollten die Sonne verklagen!“

  So schräg solche Statements auch sind, sie finden Gehör, auch weil sie rechtfertigen, dass unser Leben einfach so weiter gehen kann wie bisher. Für wirkungsvolles Widerlegen solcher Falschinformationen wird folgendes empfohlen:Die Korrektur sollte sich auf die korrekten Fakten konzentrieren, nicht auf die Falschmeldung, weil sonst die Gefahr besteht, dass doch wieder die Fake News dominieren. Auch sollte sie eine eindeutige Warnung vor dem Manipulationsversuch enthalten, die politischen Absichten der Leugner offenlegen und deren Inhalt durch eine zutreffende Darstellung ersetzen. Ob allerdings Menschen, die Falschaussagen aus Bequemlichkeit nur allzu gern folgen, überhaupt für irgendwelche Argumente erreichbar sind, die sie auffordern nachzudenken und sich zu ändern, mag ich nicht abschließend beurteilen.

 Auch die vermeintliche zeitliche Ferne von Klimaschäden wird immer wieder als Grund dafür genannt, dass Menschen Schutzmaßnahmen aufschieben, selbst wenn sie den zugrundliegenden wissenschaftlichen Aussagen vertrauen. Der Klimawandel ist eben nicht die vielzitierte heiße Herdplatte, nach deren Berührung jeder sofort handelt. Tatsächlich ist der Klimawandel jedoch längst gegenwärtig, auch wenn wir in Mitteleuropa davon vergleichsweise weniger betroffen sind als der globale Süden. Und wer im Ahrtal wohnt, wird kaum den dringenden Handlungsbedarf leugnen, wenngleich auch dort manchmal vorrangig Behördenkritik und weniger Klimawandelvorsorge die Debatten prägt. Manche bauen sogar genau dort ihre Häuser wieder auf, wo sie die Fluten weggerissen haben.

  Im Anschluss an eine Publikation aus 2022 mit dem Titel „Climate endgame“ geht eine Forschergruppe der Leibniz-Universität Hannover einen grundlegend anderen Weg der Klimakommunikation. Ihr Ausgangspunkt ist die von ernsthaften Klimawissenschaftlern geäußerte Erwartung, dass die Menschheit sowohl das in Paris vereinbarte Klimaziel von 1,5 Grad Erderwärmung nicht erreichen wird, sondern dass schon heute von einer Erwärmung um 3 Grad oder sogar mehr ausgegangen werden muss. Das aber bedeutet, dass „wir uns zwar in einer nahezu aussichtslosen Lage befinden – aber gerade in diesem Moment, wenn wir erschöpft und verwundet sind und vieles dafür spricht, einfach aufzugeben, gerade dann das absolut Unwahrscheinliche doch noch versuchen – und schließlich den Kampf gewinnen.“ Das aus dem Projekt entstandene Buch konstatiert die Aussichtslosigkeit der bisherigen Klimaschutzbemühungen und der daran anschließenden „behutsamen“ Kommunikation. Es fordert stattdessen „radikale Ehrlichkeit“ angesichts der düsteren Perspektiven. Welche Art von Kommunikation in einer so beschriebenen Weltlage angemessen ist, beantworten die Autoren nicht abschließend, sondern spannen ein differenziertes Netz unterschiedlicher Perspektiven, die allerdings die Gemeinsamkeit haben, stets auf kooperative, solidarische Handlungsoptionen setzen.

  Eines aber darf bei allem Bemühen um wirksame Nachhaltigkeitskommunikation nicht vergessen werden: Ihr steht sehr oft der Widerstand und die wirtschaftliche und publizistische Macht der Interessengruppen entgegen, deren Geschäftsmodelle von einer substantiell nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise bedroht wären. Hier gälte es nämlich, diese Geschäftsmodelle grundlegend zu verändern. Das aber ist das genaue Gegenteil von dem, was heute in Wirtschaft und Politik vorherrscht. Selbst auf internationalen Klimakonferenzen treten unverhohlen immer mehr Interessenvertreter der fossilen Wirtschaft auf und bremsen nahezu alle Fortschritte. Schon dass die beiden letzten Konferenzen in den Ölländern Qatar und Aserbaidschan stattgefunden haben, spricht hier Bände. Da gelten Ölreserven als Geschenke Gottes und in der EU jetzt sogar Atomkraftwerke als nachhaltig.  Auf der kürzlich ohne Einigung zu Ende gegangenen UN Plastik-Konferenz in Südkorea gab es mehr Industrie-Lobbyisten als Vertreter von Naturschutzorganisationen. Genau diese Interessengruppen verfügen eben über ein Mehrfaches an Kommunikationsmitteln als Umwelt-NGOs und andere Gutwillige, so dass die Kommunikation ebenso wie die politischen Bemühungen Letzterer dagegen kaum durchdringen.

  Natürlich ist das Bemühen um eine wirksame und respektvolle, vielleicht sogar "radikale"  Nachhaltigkeitskommunikation unerlässlich, um die Kluft zwischen Wissen und Handeln zu verringern. Es gilt, nicht in Fatalismus zu verfallen, sondern Handlungsbarrieren ernst zu nehmen und Handlungswirksamkeit herzustellen. Weil aber „normale“Bürgerinnen und Bürger weniger Akteure einer nachhaltigen Entwicklung sind als vielmehr Opfer eines fehlenden politischen und wirtschaftlichen Umgestaltungswillens, darf auch nicht überschätzt werden, was Kommunikation bewirken kann. Und die Hoffnung darauf, dass sich die alten weißen Männer von Musk bis Bezos, von Trump bis Putin, von Merz bis Lindner usw. besinnen und zu Kämpfern für Nachhaltigkeit mutieren, ist nicht einmal als Stoff für Träume geeignet.