Männer, Frauen, Öko

 

 

  Auch wenn die Genderforschung nahelegt, dass es außer Männern und Frauen noch diverse andere sexuelle Identitäten gibt, möchte ich es an dieser Stelle bei der Vereinfachung belassen, nur die beiden Haupttypen Männer und Frauen zu unterscheiden. Denn es geht mir nicht um einen Beitrag zur Diversitätsdebatte, sondern um die Frage, ob es Unterschiede gibt zwischen dem Umgang der Geschlechter mit dem Thema Nachhaltigkeit. Dabei sind die Befunde, über die ich berichte, natürlich unzulässig verallgemeinernd. Denn es gibt immer auch die Männer und Frauen, die sich anders verhalten als ihre Geschlechtsgenoss*innen.

 

 

  Auf dem Foto gehen Mann und Frau halbwegs einträchtig nebeneinander. Wir können nicht erkennen, ob sie freundlich miteinander reden und worüber sie sich unterhalten. Seit der Klimawandel, das Artensterben und andere Nachhaltigkeitsfragen in den Medien immer häufiger thematisiert werden, könnte es aber sein, dass dieses Thema auch die beiden Spaziergänger umtreibt. So etwa:

Er:  Ich glaube, wir sollten die Heizung auf Wärmepumpe umstellen.

Sie: Findest Du nicht, dass das viel zu teuer ist? Ich würde lieber erst mal die neuen Möbel kaufen.

Er:  Aber wir sollten schon was für die Umwelt tun.

Sie: Ja, z.B. weniger Fleisch essen und öfter mit dem Fahrrad statt mit dem Auto fahren.

Er:  Oder vielleicht statt der Wärmepumpe doch ein E-Auto kaufen. Da gibt es zur Zeit hohe Rabatte.

Sie: Ich fahre mit Öffis zur Arbeit, ich brauche kein E-Auto. Und statt von einem neuen Auto zu träumen, solltest Du vielleicht erst
       mal deine Moto Guzzi verkaufen, die nutzt Du doch eh nur in der Freizeit mit Deinen Kumpeln.

Er:  Da hoffe ich technologieoffen auf einen baldigen Durchbruch von E-fuels.

…..

 Er ist irgendwie schon bereit, sich mit dem Thema auseinanderzusestzen und eigene Beiträge zu leisten. Aber dann doch vor allem technologiefixiert und darauf hoffend, dass er seine lieb gewonnenen Gewohnheiten nicht aufgeben muss. Sie dagegen setzt auf Verhaltensänderungen und ist selbst auch dazu bereit, möchte sich das Leben allerdings auch mit schönen Sachen angenehm machen. Durchschnittsmann und Durchschnittsfrau?

 Tatsächlich sind die Gesichter der internationalen Klimabewegung fast durchweg weiblich. Sie heißen z.B. Greta Thunberg, Luisa Neubauer von Fridays4Future oder Carla Hinrichs von der letzten Generation. Ist umweltbewusstes Handeln ein weibliches Thema? Es gibt viel mehr Nachhaltigkeits-Influencerinnen als Influencer. Anbieter „nachhaltiger“ Produkte adressieren oft ein weibliches Publikum. Autos und Fleisch dagegen sind eher und umweltschädlich, aber klassische "Männerprodukte". Sind Frauen also das grüne Geschlecht und Männer die Klimasünder?

 Gesicherte statistische Daten über geschlechtsspezifische Zugänge, Einstellungen und insbesondere über das tatsächliche Verhalten zum Thema Umwelt und Nachhaltigkeit gibt es bisher wenige. Zwar wird konstatiert, dass Frauen in einschlägigen Befragungen eher eine Bereitschaft zur Verhaltensänderung und zu Abstrichen beim Lebensstandard äußern als Männer. Auch wird festgestellt, dass Männer zwar ein höheres Wissen über Umweltfragen für sich beanspruchen und auch in beruflichen Zusammenhängen größere Handlungsspielräume haben als Frauen, sich dieses aber in ihrem tatsächlichen Verhalten eher weniger niederschlägt. Frauen dagegen handeln auch ohne differenziertes Umweltwissen überwiegend umweltfreundlicher als Männer, nicht zuletzt weil ihre finanziellen Möglichkeiten oft recht begrenzt sind, zumal  wenn sie Single oder alleinerziehend sind.

 Diese Tatsache wird primär durch die Verschiedenartigkeit der lebensweltlichen Handlungsschwerpunkte von Männern und Frauen erklärt. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem "Eco-Gender-Gap". Frauen geben für ihre spezifischen sozialen Tätigkeitsbereiche an, dass sie diese durchaus umweltbewusst gestalten. Sie trennen Abfälle, sparen Wasser oder drehen die Heizung runter, wenn sie nicht zu Hause sind. Männer behaupten das von sich auch, aber in deutlich geringerer Zahl. Dazu gibt es zwei unterschiedlichen Erklärungen. Zum einen sind Frauen häufiger in Care-Arbeit und Haushalt engagiert als Männer. Sie entscheiden, ob nachhaltige Produkte gekauft werden und sind von ihrer Rolle her stärker mit Nachhaltigkeit verbunden. Viele Männer legen ihren Fokus vor allem auf berufliche Zusammenhänge, in denen zwar viel über Nachhaltigkeit geredet wird, es nach wie vor schwierig ist, ernsthaft Nachhaltigkeitsaspekte zur Geltung zu bringen, zumal wenn sie Verhaltensänderungen oder gar vermeintlichen Verzicht beinhalten. Zum anderen wird angenommen, dass Männer mitunter das Gefühl haben, sich um die Umwelt zu bemühen, sei nicht "männlich". Dass sie sich weniger für das Thema engagieren, würde danach auch mit überbrachten Geschlechterstereotypen zusammenhängen.

Ein erstes Resümee lautet daher: Im theoretischen Wisssen um Umweltprobleme liegen Männer gegenüber Frauen vorn, in der praktischen Umsetzung umweltfreundlichen Handelns dagegen ist es genau umgekehrt. Hier sind Verhaltensänderungen von Männern deutlich geringer ausgeprägt als bei Frauen.

 Ein anderer Forschungszweig, Untersuchungen zum Zusammenhang von Klima- und Genderfragen, vor allem zur geschlechtsspezifischen Betroffenheit von Klima- und Umweltproblemen hat seit einigen Jahren erheblich zugenommen.  Hier sind es insbesondere Forscherinnen, die sich des Themas annehmen und nachweisen, dass es in Wirtschaft und Politik zwar überwiegend Männer sind, die die Entscheidungen treffen und die daher für die immer weniger nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise auf dem Planeten die Hauptverantwortung tragen. Auf der anderen Seite sind aber Frauen von den negativen Folgen des Klimawandels und anderen Nachhaltigkeitsproblemen deutlich stärker betroffen als Männer. Das gilt vor allem für den globalen Süden, für den insgesamt das gleiche gilt: wenig bis gar nicht verantwortlich für die Probleme, aber deutlich stäker von den Folgen betroffen.

 Nach Angaben der UN haben Frauen bei Klimakatastrophen ein 14mal höheres Todesrisiko als Männer. Sie werden oft später gewarnt, können seltener schwimmen und kümmern sich bis zuletzt ohne Rücksicht auf das eigene Leben um Alte und Kinder. Beim Tsunami 2004 im Indischen Ozean waren 70 Prozent der Todesopfer Frauen. Diese Ungleichheiten liegen nicht an biologischen Unterschieden, sondern an sozialen Rollenzuschreibungen, die zwar im Süden ausgeprägter sind, aber sich global gar nicht so stark unterscheiden. So zeigen Studien der WHO, dass auch bei der großen Hitzewelle in Europa 2003 mehr Frauen als Männer starben.

 Daher zielen auch die Sustainable Development Goals der UN darauf ab, Fortschritte in der Klima- und Geschlechtergerechtigkeit zu erzielen. Im Ziel 5 werden insbesondere Maßnahmen zur Stärkung von Frauen wie z.B. der Zugang zu Ressourcen und Technologie gefordert, die Gender-Ungerechtigkeiten im Zusammenhang mit dem Klimawandel abbauen sollen. Zudem wird eine Verbesserung in den Bereichen Ernährung, Bildung und Gesundheit besonders für Frauen gefordert. Auch der Ansatz der feministischen Außenpolitik der aktuellen deutschen Außenministerin thematisiert diese Problematik, wenngleich Nachhaltigkeitsfragen dort nicht prominent erwähnt werden.

 Wie insgesamt im Verhältnis der Nationen scheint auch im Geschlechterverhältnis also zu gelten: die einen fahren den Karren an die Wand, obwohl sie sehr gut über die Probleme Bescheid wissen und Möglichkeiten hätten, die Probleme zu lösen. Die anderen löffeln die Suppe aus, ohne wirklich viele Möglichkeiten zu haben, der Entwicklung eine andere Richtung zu geben.

 Das zu ändern ist wahrscheinlich eine der größten Aufgaben der globalen Nachhaltigkeitspolitik. Denn die (alten und jungen) weißen Männer geben das Heft nicht freiwillig aus der Hand. Wenn sie sich wenigstens bereitfänden, den Ergebnissen der nachhaltigkeitsbezogenen Genderforschung die Chance zu geben, ernsthaft gehört und bedacht zu werden! Sie haben es verdient, weil der Klimawandel und die anderen Nachhaltigkeitsprobleme zwar heute Frauen in höherem Maße schädigen als Männer, aber langfristig nicht unterscheiden zwischen den Geschlechtern, sondern auch die männlichen Durchblicker wie Elon Musk und Christian Lindner treffen werden. Das sollten die eigentlich auch wissen.