Seit längerem gibt es in der Soziologie eine Mode, deren Befunde es immer wieder in populäre Medien schaffen: verschiedene Generationen nach ihren vermeintlich gemeinsamen, aber doch besonderen Merkmalen zu kategorisieren und mit unterschiedlichen Namen zu bezeichnen: Babyboomer, Generation X, Y, Z usw. Neuerdings wird der Generation Z besondere Aufmerksamkeit und Kritik aus den älteren Generationen zuteil, die mich fragen lässt, ob hier Menschen heranwachsen, die Hoffnung machen könnten für eine nachhaltige Zukunft.
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Er bezieht sich gern auf andere Menschen, auf seine Familie, Kolleg*innen, Nachbarn, die Mitglieder seines Sportvereins, seiner Kirchengemeinde, auf die Menschen in seiner Stadt, seinem Land und andere Gruppen, denen er sich zugehörig fühlt. Das ist auf Grund erlebter sozialer Nähe verständlich, auch wenn es sich leider manchmal in feindlicher Abgrenzung zu anderen Bezugsgruppen äußert.
Ohne wirkliche Änderungsmöglichkeit ist jede*r von uns einer bestimmten Generation zugehörig, den in derselben Dekade Geborenen, mit denen man die Umstände des Heranwachsens teilt, die Erziehung, die Moden, die vorherrschenden Techniken und die Musik, um nur einige Gemeinsamkeiten zu nennen. Allerdings sind Generationen in sich nicht wirklich homogen. Es sind und bleiben Menschen mit je spezifischen Eigenschaften und Merkmalen und teilweise erheblichen Unterschieden z.B. im Einkommen und Vermögen, in der Bildung und anderen sozio-kulturellen Aspekten, die ihnen zwangsweise angehören. Sie haben aber durchaus Gemeinsamkeiten: das Erleben ähnlicher schulischer Werdegänge, die politischen Rahmenbedingungen, die Verfügbarkeit bestimmter technischer Ausstattung. Wer in der Schule mit Schiefertäfelchen und Rohrstock konfrontiert wird, wächst anders auf und wird ein anderer Mensch als das Tablett-Kind, das täglich mit dem Auto zur Schule gefahren wird.
In der Soziologie werden die Einflüsse verschiedener sozialer Bedingungen auf das Menschwerden wissenschaftlich untersucht und als Prozess der Sozialisation beschrieben. Daher sind es auch vorrangig Vertreter dieser Disziplin, die die Gemeinsamkeiten der Sozialisation innerhalb von Generationen untersuchen und auf Grundlage dieser Untersuchungen „typische“ Merkmale verschiedener Generationen herausarbeiten. Das ist der Hintergrund dafür, dass neuerdings auch in populären Medien die Babyboomer, danach die alphabetisch geordneten Generationen X, Y und Z dargestellt und diskutiert werden. Die neueste Variante steigt ein ins griechische Alphabet: Die nach ca. 2012 Geborenen werden als Generation α bezeichnet. Dabei bezieht sich in deutschen Medien die Charakterisierung zumal der älteren Generationen vorrangig auf (West-)Deutschland, ohne dass dies jedoch immer deutlich herausgeabreitet wird.
Jeder dieser Generationen werden bestimmte charakteristische Merkmale zugeschrieben, die ihre Angehörigen auszeichnen und von den anderen Generationen abheben sollen. Unterschiede innerhalb der jeweiligen Generation werden hinten angestellt, Unterschiede zu anderen Generationen besonders betont. Danach werden die sog. Babyboomer, in der Nachkriegszeit bis etwa Mitte der 60er geboren, als arbeitssam, leistungsbereit, karriereorientiert und ellenbogenhaft beschrieben. Die zahlenmäßige Stärke dieser Generation (deutlich mehr als 1 Mio. Geburten in Westdeutschland pro Jahr) bestimmt die Namensgebung, Boomer. Ihre Nachfolgegeneration X, geboren zwischen Mitte 60er und Ende 70er, ist nicht zuletzt dank der Verbreitung der sog. Antibabypille zahlenmäßig deutlich kleiner und von den ersten signifikanten politischen Konflikten der Nachkriegszeit geprägt (Ölkrise, Nato-Doppelbeschluss, Anti-AKW-Bewegung). Dementsprechend sei sie von einem ausgeprägten Zukunftspessimismus geprägt. Die weite Durchsetzung des Fernsehens als Unterhaltungsmedium, das Aufkommen der ersten Computer und wachsender Konsum prägen die Haltung der Generation X.
Der Generation Y, geboren zwischen 1980 und 1995 (auch Millenials genannt) wird ein verändertes Verhältnis zur Lohnarbeit attestiert. Sie arbeitet, um zu leben, heißt es. Zudem erlebt sie 9/11 und weitere Terroranschläge sowie weltweite wirtschaftliche Krisen, wodurch sie persönliche Freiheit, Selbstverwirklichung und Flexibilität in den Mittelpunkt ihres Lebens stellt.
Die Generation Z dagegen (1995 bis ca. 2012) wird als Digital Natives groß. Sie wird daher als technikaffin, immer online, ungeduldig und fordernd beschrieben. Auf der anderen Seite erlebt sie zunehmend die negativen Auswirkungen der sozialen Medien und sehnt sie sich nach Sicherheit und Nachhaltigkeit. Dafür sei sie bereit sich zu engagieren, zum Beispiel als Teil globaler Bewegungen wie Fridays for Future oder Letzte Generation. Kritiker insbesondere aus der Boomer-Generation halten der Gen Z mangelnde berufliche Einsatzbereitschaft und fehlende Belastbarkeit vor.
Bereits diese kurze Charakterisierung dürfte deutlich machen, dass viele der dargestellten Merkmale der Generationen sehr plakativ und verallgemeinernd ausfallen. Tatsächlich ist bereits das allgemeine Konzept der Generation wissenschaftlich umstritten. Auch wenn auf den ersten Blick vieles dafür spricht, dass ähnliche Bedingungen des Heranwachsens dazu führen, dass bei den Menschen derselben Generation ähnliche Werthaltungen und Einstellungen verbreitet sind, stellt sich doch die Frage, ob wirklich die Gemeinsamkeiten die sozialen Unterschiede innerhalb jeder Generation überwiegen. Erlebt das Kind aus prekären sozialen Verhältnissen eine ähnliche Sozialisation wie der Spross einer reichen Unternehmerdynastie oder das Kind einer Musikerfamilie, selbst wenn alle drei zumindest eine Zeitlang auf die gleiche Schule gehen? Und weiter: Sind Haltungen und Ansichten, die man als Jugendliche/r erwirbt, fest für ein ganzes Leben oder sind sie nicht doch Veränderungen unterworfen, je nachdem welche berufliche, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung die jeweilige Person durchläuft? Werden nicht vielmehr Ansichten und Lebensweisen auch dadurch geprägt und verändert, dass man älter und damit anderen Bedingungen oder auch Einschränkungen konfrontiert wird.
Als ich Mitte der 70er Jahre als Hochschullehrer an der neu gegründeten Gesamthochschule Kassel zu arbeiten begann, kamen zu uns sehr viele Studierende mit „alternativen“ Werthaltungen, geboren in den späten 50er bzw. frühen 60er Jahren. Baby-Boomer nach der heute üblichen Klassifizierung, aber zumindest damals mit einem davon sehr abweichenden Weltbild. Viele der Hochschullehrer hatten ihre prägenden Jahre Mitte bis Ende der 60er zu Zeiten der Studentenbewegung erlebt. Uns trieb die Hoffnung um, die Studierenden für eine grundlegende Veränderung der Wirtschaft zu motivieren und zu befähigen. Die ernüchternden Ergebnisse der Berufsverlausstudien, die wir dazu durchführten: Die Hoffnung erfüllte sich nicht. Nicht unsere Absolvent*innen veränderten die Wirtschaft, sondern die Wirtschaft veränderte unsere Absolvent*innen. Die Mechanismen der beruflichen Sozialisation waren stärker als die im Studium gepflegten Werthaltungen. Die meisten „alternativen“ Diplom-Ökonom*innen entwickelten sich sehr karrierebezogen und übernahmen die Verhaltensweisen ihrer älteren Kolleginnen und Kollegen, nun eher Boomer als Reformer. Die vermeintlich stabilen Lebenseinstellungen sind also mit Vorsicht zu genießen.
Ein Letztes kommt hinzu. Derselben Generation anzugehören, ist oft schon die einzige Gemeinsamkeit zeitnah geborener Menschen. Sie haben unterschiedliche Ausbildungswege, unterschiedliche Berufe und darin unterschiedliche Erfolge, unterschiedliche Einkommen und Vermögen, mehr oder weniger gerade Lebensverläufe, familiäre Entwicklungen, politische Ansichten und viele weitere Unterschiede, die nicht ohne Einfluss auf ihre Werthaltungen bleiben. Es gibt also Generationen-Gemeinsamkeiten, aber stets auch zum Teil deutliche Unterschiede.
Nun aber noch einmal näher zur Gen Z, also denjenigen, die Ende des 20. bis erste Dekade des 21. Jahrhunderts geboren wurden. Denn sie ist aktuell die junge Generation, die gerade dabei ist, ins Berufsleben einzusteigen.Was sind die in Jugendstudien herausgefundenen wesentlichen Merkmale dieser Generation?
Sie wachsen in eine Welt hinein, die stark von digitaler Kommunikation, Social Media und dem Smartphone als „Tor zur Welt“ geprägt ist. Ihre Eltern sind oft beide berufstätig in einer Arbeitswelt, die für die Mütter ausreichenden Raum für Care-Arbeit nicht selbstverständlich ermöglicht, während die Väter andererseits kaum zu gleichberechtigter Mitwirkung daran bereit sind. Der vorherrschende Erziehungsstil setzt ihnen kaum Grenzen. Dennoch ist Familie einer ihrer wesentlichen sozialen Anker.
Die Kommunikation mit Altersgenossen fokussiert auf online-Medien. Alles scheint jederzeit erreichbar und zugänglich. Persönliche Festlegungen sind oft eher vage. Die sie umgebende Welt ist quasi im Dauerkrisenmodus. Kriege und Nachhaltigkeitsprobleme, insbesondere der Klimawandel, schaffen ein erhebliches Unsicherheitpotential, aber auch die Bereitschaft, sich für Freiheit, Gerechtigkeit und Klimaschutz zu engagieren. Die Gen Z wird daher auch Generation „Greta“ genannt.
Am Arbeitsmarkt treffen sie auf Unternehmen, die wegen der Renteneintritte der Boomer fast schon verzweifelt nach neuen Mitarbeiter*innen suchen. Das verschafft ihnen eine vergleichsweise kommode Verhandlungsituation. Aus älteren Generationen wird ihnen vorgeworfen, vorrangig auf hohes Gehalt und eine ausgeglichene Work-Life-Balance zu achten und bei der ersten Begegnung mit beruflichen Aufgaben oder Kritik durch Vorgesetzte schnell zu kapitulieren. Sie sind relativ schnell bereit, sich nach anderen Tätigkeiten umzusehen, die ihren Vorstellungen eher entsprechen. Diese Vorstellungen sind nicht selten mit der Sinnhaftigkeit der erstellten Leistung bzw. des Produkts verbunden. Nur des Geldes wegen zu arbeiten, ist vielen Angehörigen der Gen Z nicht genug.
Ob und wie lange diese jungen Menschen als Berufseinsteiger ihre Haltungen beibehalten und/oder welche mitgebrachten Positionen sie bereit sind zu räumen wie die meisten Generationen vor ihnen, lässt sich heute noch nicht ausmachen. Tatsache ist aber, dass in Zeiten eines angespannten Arbeitsmarkts die Bereitschaft der Arbeitgeber zur Schaffung attraktiver und inhaltlich befriedigender Abeitsbedingungen steigen muss und wird.
Hier liegt aus meiner Sicht die Chance dafür, dass aktuell auch von den Berufseinsteigern der GenZ Impulse für eine nachhaltigkeitsorientierte Neugestaltung der Wirtschaft ausgehen könnten. Klimaschädliche Geschäftsmodelle, umweltgefährdende Prozesse und Produkte werden bisher nur von wenigen Arbeitnehmern gemieden. „Typischen“ Gen Z-Angehörigen wird attestiert, dass sie derartige Arbeitsplätze gar nicht erst in Erwägung ziehen, sondern sich oft von vornherein für Jobs in nachhaltigkeitsorientierten Unternehmen entscheiden. Sollten sie feststellen, dass das Unternehmen, in dem sie eingestiegen sind, eher Greenwashing betreibt als sich ernsthaft um die nachhaltige Gestaltung ihrer Produkte und Prozesse zu bemühen, sind sie durchaus zum Climate Quitting bereit. Und werden dann hoffentlich auch zu beruflichem Engagement für eine nachhaltige Unternehmenspolitik bereit sein.
Auch über das Berufsleben hinaus gehen von der Gen Z Veränderungen aus. Die immer wieder zu beobachtenden Proteste gegen Braunkohle-Tagebau zu Zeiten der Abschaltung von Kohlekraftwerken, gegen eine neue Autofabrik, oder gegen innerstädtischen Autoverkehr oder die unerwünschte Verbreiterung eine Umgehungsstraße werden getragen von Angehörigen der Gen Z. Sie versuchen, dabei Methoden anzuwenden, die geeignet sind, die Haltungen größerer Bevölkerungsanteile zu verändern, nicht immer erfolgreich (Stichwort Klimakleber).
Gen Z als Nachhaltigkeitsgeneration? Auch wenn Skepsis geboten ist gegenüber verallgemeinernden Charakterisierungen verschiedener Generationen: Wer zur Gen Z gehört, wächst unter Bedingungen auf, die die menschlichen Lebensgrundlagen gefährden und in denen Politik und „alte“ Wirtschaft sehr zögerlich handeln. Wer aus der Gen Z berufliche und politische Herausforderungen meidet und lieber chillt, dem mag das gleichgültig sein. Wer sie annimmt und Sinn darin sieht, an der großen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft aktiv mitzuwirken, dem eröffnet sich eine attraktive Perspektive und der kann viel Positives bewirken.