Immer mehr Menschen, die ihre Ersparnisse nicht einfach unter dem Kopfkissen lagern und damit verringern wollen, entdecken „grüne“ Geldanlagen in Form von Fonds oder anderen Investments. Indem sie diese kaufen, wollen sie Gutes tun. Sie wollen als Geldgeber für ökologisch sinnvolles Wirtschaften fungieren und dabei auch noch etwas Geld verdienen und so zumindest der Inflation trotzen. Ist das sinnvoll im Sinne eines wirksamen Engagements für Nachhaltigkeit in der Wirtschaft?
Als ich vor vielen Jahren von meinem Onkel unerwartet eine fünfstellige Summe erbte, wollte ich auch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: ökologisch engagierte Unternehmen unterstützen und zugleich die Erbschaft ein wenig vermehren. Also fragte ich meinen Bankberater nach grünen Anlagemöglichkeiten für das geerbte Geld. Er war ratlos, von so etwas hatte er noch nie gehört. Geld legt man an, um es zu vermehren, in Aktien, Anleihen, Investmentfonds, in Fremdwährungen oder ähnlichem. Also traf ich eine Entscheidung, die sich nur an den üblichen Kriterien Rendite und Risiko orientierte, und machte mich außerhalb der Bank auf die Suche.
Ich fand heraus, dass es in den USA bereits Anfang des 20. Jahrhunderts einige Geldanleger gab, die ihr Geld nicht in sog. „sin-stocks“ investierten, also in Unternehmen, die ihr Geld mit Tabak, Alkohol oder Glücksspiel verdienten. In den 60er Jahren wurde dieses Anlageverhalten von Gegnern des Vietnam-Kriegs aufgegriffen, die auf diesem Weg einen Boykott der Rüstungsindustrie bewirken wollten. Ökologische Kriterien spielten da noch keine Rolle, aber andere Werte als Rendite-Risiko-Gesichtspunkte begannen eine Rolle zu spielen.
Heute ist die Lage deutlich anders geworden. Es gibt wahrscheinlich keinen einzigen Bankberater mehr, der seinen Kunden nicht eine breite Auswahl von „ethischen“ Investments anbieten kann. Die Fondsgesellschaften der in Deutschland von Privatmenschen am häufigsten als „Hausbank“ gewählten Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken – Union Investment und Dekabank – haben inzwischen zahlreiche sog. Ethik-Fonds aufgelegt und vertreiben diese direkt oder über die regionalen Sparkassen und Volksbanken. Auch die Privat- und Großbanken sind in das Geschäft eingestiegen. Darüber hinaus gibt es Banken, die sich insgesamt als grüne Institute verstehen und nicht nur als Emittenten von grünen Investments aktiv sind, sondern auch ihr übriges Geschäft an Nachhaltigkeitskriterien ausrichten. Auch unabhängige Vermittler sind auf dem Gebiet aktiv: z.B. sowie Sind solche „grünen“ Investments seriös? Kann man sich darauf verlassen, dass grün drin ist, wo grün draufsteht? Oder ist es doch eher Greenwashing, also ein grünes Mäntelchen über den üblichen grauen Geschäften, wie Kritiker behaupten?
Zur Beantwortung dieser Frage muss ich etwas weiter ausholen. Wer Geld in Aktien oder Aktienfonds anlegt, erwirbt damit zumindest mittelbar Eigentumsanteile an Unternehmen. Er wird damit aber keineswegs Unternehmer mit allen Rechten und Einflussmöglichkeiten. Aktien verschaffen Einflussmöglichkeiten in Form von Stimmrechten auf den Hauptversammlungen der Gesellschaften (es sei denn, man hat sog. Vorzugsaktien, bei denen das Stimmrecht ausgeschlossen ist) Wer allerdings glaubt, damit auch über die Politik des jeweiligen Unternehmens mitentscheiden zu können, der irrt. Auch die „normalen“ Aktionäre einer Aktiengesellschaft haben nur sehr begrenzte Mitwirkungsmöglichkeiten, es sei denn sie besitzen mehr als 50% der Aktien. Kleinaktionäre dürfen auf der Hauptversammlung das Wort ergreifen und ihre Stimme bei der Entscheidung über die Verwendung des in der Bilanz ausgewiesenen Jahresgewinns abgeben, mehr nicht. Für die Inhaber von Aktienfonds-Anteilen wird dieses ohnehin begrenzte Recht von der Fondsgesellschaft wahrgenommen, die regelmäßig auch nicht über größere Eigentumsanteile verfügt. Über die Politik der Aktiengesellschaft entscheidet der Vorstand, der sich aus angestellten Managern und – selten - Managerinnen zusammensetzt und den Aktionären auf der Hauptversammlung über den Zustand des Unternehmens und seine Zukunftspläne berichtet. Der Einfluss der oft vielen Eigentümer ist gesetzlich eng begrenzt.
Das gilt natürlich auch für die Einflussmöglichkeiten in Richtung Nachhaltigkeit. Aktionäre, die Unternehmen in dieser Richtung beeinflussen wollen, können dies tun, indem sie auf der Hauptversammlung das Wort ergreifen und ihre Kritik und Alternativvorstellungen vorbringen. Eine große Wirkung hat das nur dann, wenn sich relevante Verbündete finden und/oder die Vorstände selbst in diese Richtung gehen wollen. Wenigen Aktionären allein wird eine grundsätzliche Umsteuerung nicht gelingen. Für andere Formen der Geldanlage, z.B. Unternehmensanleihen und Nicht-Aktien-Fonds gilt, dass von ihnen überhaupt kein Einfluss auf die Verwendung des angelegten Geldes ausgeht. Darüber entscheidet allein der Anleihen-Nehmer.
Dennoch gibt es Einflussmöglichkeiten der Geldgeber, denn Unternehmen sind darauf angewiesen, ihr Geschäft zu finanzieren. Wenn niemand mehr bereit ist, z.B. ein Atomkraftwerksunternehmen in Form von Aktien oder Krediten zu finanzieren, dann wird dieses Unternehmen auch keine Atomkraftwerke mehr errichten und betreiben können, es sei denn aus eigenen finanziellen Rücklagen. Atomkraftgegner sollten also vermeiden, Papiere zu kaufen, die in welcher Form auch immer Atom-Unternehmen finanzieren. Wer mit seiner Geldanlage aber zugleich die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen fördern will, der kann dies nur tun, indem er reine Erzeuger von grünem Strom in Form von Anleihen oder Beteiligungen finanziert. Es gibt inzwischen Internet-Plattformen, die Informationen über solche Investments bereitstellen. Einfluss auf die konkreten Entscheidungen und Aktivitäten der so finanzierten Unternehmen gewinnt man so aber auch nicht. Zudem wächst bei Beteiligungen an einzelnen Unternehmen gegenüber dem Erwerb von breiter gestreuten Fondsanteilen das Risiko des Investments.
Die meisten größeren Unternehmen, deren Aktien oder Anleihen an der Börse gehandelt werden, sind allerdings „Gemischtwaren“-Unternehmen. Energiewirtschaftsunternehmen betreiben z.B. nicht nur Atom und Kohlekraftwerke, sondern auch Windkraft- und Solaranlagen oder andere Formen grüner Stromerzeugung. Autofirmen stellen Verbrenner und Elektroautos her. Touristikunternehmen bieten nicht nur Flugreisen und Kreuzfahrten an, sondern auch umwelt- und sozialverträgliche Formen des Reisens. Und die meisten präsentieren sich selbst in ihrer Firmenwerbung als durchaus nachhaltig aufgestellt. Sind sie das auch? Wie soll ein Geld-Anleger das beurteilen, um zu vermeiden, dass er nicht doch Aktien eines Unternehmens kauft, das in Wirklichkeit alles andere als nachhaltig wirtschaftet?
Unternehmen stellen dazu seit längerem sog. Nachhaltigkeitsberichte zur Verfügung, in denen sie gegenüber der Öffentlichkeit ihre Nachhaltigkeitsbemühungen und vor allem deren Erfolge darstellen. Bis heute gibt es dafür allerdings keinerlei gesetzliche Vorgaben, so dass die meistens derartigen Berichte vor allem die erzielten Erfolge, aber kaum jemals verbleibende Schwachstellen darstellen. Folgt man diesen Berichten, dann gibt es eigentlich nur nachhaltige Unternehmen. Das aber hilft angesichts der nicht-nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt nicht wirklich weiter.
Daher haben verschiedene internationale Einrichtungen wie z.B. die Internationale Organisation für Normung ISO und die Europäische Union sowie die unabhängige Organisation „Gemeinwohl Ökonomie“ Versuche unternommen, die entsprechende Berichterstattung von Unternehmen zu standardisieren und damit verlässlich und vergleichbar zu machen. Die ISO hat einen internationalen Standard entwickelt – ISO 26.000 – der Unternehmen auf freiwilliger Basis die Möglichkeit gibt, über seine Nachhaltigkeitsbemühungen umfänglich und nachvollziehbar zu berichten. Seit der Veröffentlichung 2010 hat der Standard aber kaum Verbreitung gefunden. Daher hat die EU eine für alle Staaten verbindliche Richtlinie in Arbeit, die spätestens 2023 einer größeren Zahl von Unternehmen Vorgaben für ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung geben soll und deren Einhaltung zudem von unabhängigen Prüfern geprüft werden muss . Die Norm soll rechtlich verbindlich sein für größere Unternehmen ab 250 MitarbeiterInnen. Bis dahin verbleibt ein Flickenteppich an Informationsmöglichkeiten, die für den einfachen Geldanleger nicht solide beurteilbar sind.
Hier versucht das sog. „Öko- oder Nachhaltigkeits-Rating“, verlässliche Informationen zu sammeln und zu veröffentlichen. Durchgeführt wird so etwas von spezialisierten Agenturen, in Deutschland z.B. von oekom oder imug . Auch viele Fondsgesellschaften, die Nachhaltigkeits-Fonds anbieten, sind auf dem Gebiet tätig. Dazu sammeln sie öffentlich zugängliche, aber auch direkt vom Unternehmen abgefragte Informationen und stellen sie zu einem Gesamturteil zusammen. Dabei kommt relativ häufig das sog. Best-in-Class-Prinzip zur Anwendung, mit dem versucht wird, aus einer Branche diejenigen Unternehmen heraus zu filtern, die unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten besser als ihre Konkurrenten aufgestellt sind. Ausschlusskriterien wie etwa der Verzicht auf Atomenergie und die Produktion naturschädigender Stoffe finden hier allerdings keine Anwendung. Das führt aber auch dazu, dass auch Branchen, die eigentlich keine Nachhaltigkeitsansätze haben, in die Bewertung aufgenommen werden, so dass es danach sogar so etwas geben kann wie das nachhaltigste Kernkraftwerk oder die nachhaltigste Pestizidfabrik.
Ein Urteil über die substantiellen Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen, Staaten und anderen Organisationen ist daher solange schwer zu treffen, bis es eine klare und verbindliche Einigung darüber gibt, was denn darunter inhaltlich genau zu verstehen ist. Dies haben die Vereinten Nationen erkannt und bereits 2016 die sog. Sustainable Development Goals (SDG) entworfen und in Geltung gesetzt. Auf der Grundlage des sog. Drei-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit werden darin 17 Ziele formuliert, an denen sich Nachhaltigkeitsbemühungen orientieren sollen. Zentrale Aspekte sind Wirtschaftswachstum, die Angleichung des Lebensstandards, die Schaffung von Chancengleichheit und die Bewahrung der natürlichen Ressourcen. Dieser Zielkatalog liest sich allerdings wie ein großer Wunschzettel der Weltgemeinschaft, in den jedes Mitglied seine besonderen Wünsche einbringen durfte. Dennoch dient er vielen Unternehmen und Nachhaltigkeits-Ratern als Orientierung.
Wesentlich konkreter wird die Europäische Union in ihrer sog. Nachhaltigkeitstaxonomie. Sie basiert auf sechs grundlegenden Nachhaltigkeitszielen: Klimaschutz, Klimaanpassung, Nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresreserven, Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung sowie Schutz der Biodiversität. Wirtschaftliche Aktivitäten gelten dann als nachhaltig, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der Ziele leisten, ohne andere zu beeinträchtigen. Dazu sind Mindestschutzkriterien einzuhalten und technische Bewertungskriterien zu erfüllen.
Die entsprechende EU-Verordnung wurde 2020 verabschiedet und tritt 2022 in Kraft, wird aber noch in Bezug auf vier der sechs Ziele final konkretisiert. Sie betrifft in der EU etwa 6.000 Unternehmen der verschiedensten Branchen und erfasst damit die Verursacher von mehr als 90% der Treibhausgasemissionen der EU. Kritiker bemängeln allerdings, dass auf Druck von Frankreich und einigen osteuropäischen Ländern z. B. Atom- und Gaskraftwerke als nachhaltig, weil klimaschonend eingestuft werden sollen. Ist die Taxonomie in Geltung, können Interessenten auf dieser Grundlage nachvollziehbar beurteilen, ob Unternehmen diesem Verständnis nach nachhaltig wirtschaften, und ihr Geld dann entsprechend investieren oder nicht. Ob man persönlich das in der Taxonomie formulierte Verständnis von nachhaltigem Wirtschaften teilt, muss allerdings jeder selbst beurteilen. Ich persönlich bin so frei, Atom- und Gaskraftwerke nicht für nachhaltig zu halten. Man darf gespannt sein, ob sich in dieser Frage die Atombefürworter durchsetzen und damit der Nachhaltigkeitstaxonomie einen schweren Glaubwürdigkeitsschaden zufügen werden.
Insgesamt ist „green finance“ damit zwar ein großes Thema, zumal sich auch immer mehr große Investoren wie Pensionskassen und Versicherungen in dem Bereich engagieren wollen. Auch die neue Bundesregierung hat es zu einem ihrer Ziele erklärt, das Thema voran zu bringen. Dabei ist aus meiner Sicht immer noch ein gerüttelt Maß Hoffnung im Spiel, dass diejenigen, denen Anleger ihr Geld für „grünes Wirtschaften“ überlassen, das auch in dem Sinn umsetzen werden, wie es der Anleger möchte. Wirkliche Sanktionsmöglichkeiten für den gegenteiligen Fall hat er nämlich nicht. Am Ende des Tages wird der Kapitalmarkt immer noch überwiegend von Rendite-Risiko-Kriterien bestimmt, gerade für die im Management verantwortlichen Akteure. Für kleine Anleger bleibt daher oft kaum mehr als das gute Gefühl, mit ihrem Geld wenigstens nicht die allergrößten „Sünder“ zu unterstützen.