Ein Unternehmen zu gründen ist zur Zeit ziemlich angesagt. Nicht nur Absolventen von BWL-Studiengängen, sondern viele junge Menschen streben derzeit nicht mehr zwangsläufig eine Stelle als Angestellte an, sondern machen sich als Jungunternehmer selbständig, ohne sichere Aussicht auf ein auskömmliches Einkommen. Das Privatfernsehen – immer darauf erpicht, unter irgendeinem Vorwand kameraunerfahrene Privatmenschen vorzuführen - hat eine Reihe aufgelegt, in der potentielle Gründer auf Finanziers treffen und diese davon überzeugen müssen, sich mit Geld in ihren Start-ups zu beteiligen: „Die Höhle der Löwen“ heißt das Format. Unter den Gründer*innen sind nicht wenige, die mit nachhaltigen Ideen und Konzepten unternehmerisch erfolgreich sein wollen. Auch hier lohnt es sich, einmal genauer hinzusehen.
Als ich mit meinen wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen im Jahre 2000 das Forschungsprojekt „Start up to sustain“ in Angriff nahm, wurden wir von nicht wenigen als Träumer belächelt. Haben Unternehmensgründer nicht andere Sorgen, als sich ausgerechnet mit dem Thema Nachhaltigkeit zu befassen? Muss es nicht erst einmal darum gehen, junge Unternehmen auf gesunde wirtschaftliche Beine zu stellen, bevor man sich kostenintensive Maßnahmen in Richtung Nachhaltigkeit leisten kann? Selbst gut etablierte Unternehmen fragen doch immer wieder, ob sich eine Maßnahme zum Umweltschutz wirklich rechnet.
Im Verlauf des Projekts, in dem wir ausführliche Fallstudien in diversen jungen Unternehmen durchführten, stellte sich heraus, dass die meisten professionellen Berater und Förderer von Unternehmensgründungen(Gründungsberater, Banken, öffentliche Fördereinrichtungen) ihre Klienten mit genau diesem Weltbild konfrontierten und damit eher verunsicherten als halfen. Grüne Gründer galten Anfang des Jahrhunderts als Exoten.
Die meisten Gründer – nachhaltigkeitsorientierte oder „normale“ - sind eigensinnige Überzeugungstäter. Sie wollen selbstbestimmt arbeiten, etwas Sinnvolles tun, mit ihrer Geschäftsidee die Welt verbessern und mit den Leistungen ihren Lebensunterhalt verdienen. Auch Mark Zuckerberg wollte eine nützliche Kommunikationsplattform aufbauen, zum Wohle aller. Gleiches gilt wahrscheinlich für die Gründer von Airbnb und Uber, die früher als andere Ideen für internetgestützte Vermittlungsportale für private Gästezimmer und Automitfahrdienste entwickelten und umsetzten.
Heute ist die Zahl der Gründer*innen, die im weitesten Sinne etwas in Richtung Nachhaltigkeit tun wollen, deutlich gestiegen. Sie entwickeln Lösungen für Nachhaltigkeitsprobleme und bringen sie auf den Markt, sei das z.B. in Form eines Carsharing-Angebots, einer nachhaltigen Garnelenzucht oder in Form der Solarmodulinstallation auf Mehrfamilienhäusern. Immer öfter gelingt es ihnen, das für den Unternehmensaufbau notwendige Gründungskapital aufzubringen, nicht zuletzt weil es Banken gibt, zu deren Geschäftsmodell die Förderung nachhaltiger Unternehmen gehört und die ihrerseits Anleger finden, die dies unterstützen, z.B. die GLS Bank.
Natürlich sind grüne Unternehmensgründungen nicht per se die Rettung der Welt. Sie sind und bleiben Unternehmen, die nur bestehen können, wenn sie am Markt erfolgreich sind, also zahlungsbereite und -fähige Kunden finden. Wenn sie erfolgreich sind, wachsen sie und verdrängen andere vom Markt, deren Nachhaltigkeitsidee vielleicht noch ambitionierter war, aber nicht so eingängig. Mit wachsender Größe verselbständigt sich manchmal auch die kommerzielle Orientierung und gewinnt Überhand gegenüber dem ursprünglichen sachlich-ideellen Unternehmensziel.
Beispiele dafür gibt es viele. Facebook, Airbnb und Uber gehören dazu. Ihr Geschäftsmodell ist finanziell so erfolgreich, dass es inzwischen das sachliche Ausgangsziel geradezu pervertiert. Die Unternehmen richten weltweit mehr sozialen Schaden als Nutzen an, indem sie zu Datenkraken, Mietentreibern und Ausbeutern geworden sind und die Gründungsideen damit längst verraten haben.
Zudem ist Nachhaltige Entwicklung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die von Zivilgesellschaften, Staaten und Unternehmen in unterschiedlichen Rollen und Zuständigkeiten angegangen werden müssen. Sie allein dem Markt zu überantworten, wird nicht funktionieren. Für die Entwicklung von separierbaren nachhaltigen Leistungen sind grüne Unternehmen aber unverzichtbar. Denn die Dynamik von Märkten ist unübertroffen. Weder das staatliche Handeln (wie man aktuell am Beispiel der Corona-Politik sieht) noch die Zivilgesellschaft können so schnell und zielgerichtet Lösungen für Probleme generieren, die auf Produkte oder Einzeldienstleistungen angewiesen sind.
Damit grüne Start-ups auch auf Dauer grüne Unternehmen bleiben, sollten sie Vorkehrungen treffen, die verhindern, dass ihre ursprüngliche Zielsetzung auf der Strecke bleibt. Hier bietet das neue Konzept der Purpose-Unternehmen mit dem sog. Verantwortungseigentums eine interessante Perspektive. Durch die Bindung an aktives, persönlich im Unternehmen tätiges Handeln und die Ummünzung von Gewinnerstreben in ein Mittel zur Erreichung des Sinns der Unternehmenstätigkeit wird versucht sicherzustellen, dass die Tätigkeit des Unternehmens sich dauerhaft am Gründungsziel orientiert. Dazu wird die Rechtsform des Unternehmens so ausgestaltet, dass Verfügungsmacht nicht an die Hergabe von haftendem Eigenkapital geknüpft ist, sondern an die persönliche Mitwirkung im Unternehmen.
Das Konzept kann auf historische Beispiele verweisen. So sind in Deutschland z.B. die Unternehmen Bosch, Mahle und Zeiss. Diese Unternehmen werden als Stiftungsunternehmen geführt, in denen Eigentum und Verfügungsgewalt voneinander getrennt sind und die auf gemeinwirtschaftliche Zwecke ausgerichtet sind. Für neue Purpose-Unternehmen soll eine neue Rechtsform eingeführt werden, die sog. Gesellschaft in Verantwortungseigentum, mit der rechtsverbindlich sichergestellt wird, dass die Gemeinwohlorientierung nicht ausgehebelt werden kann.
Auch die sog. Gemeinwohl-Ökonomie ist ein Konzept, das den sachlichen Unternehmensauftrag eines Beitrags zum gesellschaftlichen Wohl ernst nimmt. Hier sollen Unternehmen – auch bereits lang etablierte - auf dem Weg der Gemeinwohl-Bilanzierung sicherstellen, dass sie einen positiven Beitrag zum Gemeinwohl leisten und sich auf diesem Wege ständig verbessern. Neben vielen kleinen Unternehmen zählen zu den Unterstützern des Konzepts z.B. die Sparda Bank München und der Outdoor-Ausrüster VauDe.
Beide Konzepte knüpfen an die Bewegung der Selbstverwaltungsunternehmen an, die es im sozialistischen ehemaligen Jugoslawien und auch in marktwirtschaftlichen Ländern wie Deutschland, Frankreich und Spanien in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts gab und in denen versucht wurde, Eigentum und Mitarbeit miteinander zu verschmelzen. Diese Versuche sind allerdings im Ende als weitgehend gescheitert anzusehen, sei es weil das gesamte Wirtschaftssystem aufgegeben wurde (Jugoslawien) oder weil die Unternehmen sich entweder in „normale“ privatwirtschaftliche Betriebe umwandelten oder wirtschaftlich scheiterten. Die Purpose-Unternehmen werden diese Erfahrungen aufarbeiten müssen, wenn sie nicht dieselben Wege gehen wollen.
„Grüne“ Unternehmen aber wird es auf jeden Fall brauchen, wenn der Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft gelingen soll, in der Ernährungswirtschaft wie im Energiesektor, im Verkehrs- wie im Wohnungswesen. Sie müssen und sollen wirtschaftlich erfolgreich sein, ohne aus den Augen zu verlieren, dass sie als „Weltenretter“ gegründet wurden und sich dem Gemeinwohl verpflichtet haben. Damit sie nicht die gleiche Entwicklung nehmen wie die angesprochenen Internet-Start-ups vom Schlage facebook, wird es einer Öffnung zur Zivilgesellschaft und zum Staat brauchen, z.B. im Sinne einer ehrlichen Rahmensetzung, Rechenschaftslegung und Kontrolle. Nachhaltigkeit ist nur gemeinsam zu haben.