Kreuzfahrten und Flugreisen

Von den vielen Unternehmen, die nach der Lockerung der Corona-Auflagen von der Berliner Politik massive finanzielle Hilfen zugesagt bekommen haben, sind die beiden größten TUI und Lufthansa, zwei Marktführer in ihren Märkten. Beide sind in Bereichen tätig, die unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten gelinde ausgedrückt problematisch sind: als Anbieter von Kreuzfahrten (neben anderen Touristik-Angeboten) und von Flugreisen, beides Leistungen, die wegen Corona zeitweise völlig zum Erliegen gekommen waren. Die Staatshilfen werden nahezu ohne Auflagen gewährt, obwohl es durchaus möglich und allemal ratsam gewesen wäre, sie mit Bedingungen zu einer (wenn überhaupt möglich) nachhaltigen Ökologisierung der Geschäftsmodelle zu verbinden. Die Flieger nach Malle sind bereits wieder rappelvoll und wann die ersten Kreuzfahrten starten dürfen, scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Also ist wieder aktuell, was ich weit vor Corona für diesen Blog geschrieben hatte. Hier ist es:

 Seit 1981 läuft im Zweiten Deutschen Fernsehen die Reihe „Traumschiff“. Jede Folge hat mehr als 10 Mio. Zuschauer, in der Spitze waren es sogar mehr als 20 Mio. Kreuzfahrten vom Sofa aus, soweit so schön. Wäre da nicht die Tatsache, dass eine ständig wachsende Zahl Zuschauer gern auch mal richtig mitreisen und so rührende Geschichten rund um die Welt erleben will wie im Traumschiff und dies auch tut. Im Zeitraum von 1990 bis 2017 stieg die Zahl der deutschen Kreuzfahrtpassagiere von etwa 300.000 auf über 2 Mio.pro Jahr. Weltweit sind es aktuell über 26 Mio. Passagiere jährlich, die sich auf ca. 300 See-Kreuzfahrtschiffe und 800 Fluss-Kreuzfahrtschiffe verteilen, zunehmend nicht nur ältere Semester, sondern auch junge.

 Das sind überschaubare Zahlen, könnte man meinen, deren Umweltschädlichkeit sich in Grenzen hält und zumindest auf hoher See ja eher wenige Anwohner schädigt, vom Klima einmal abgesehen. Wäre da nicht die Tatsache, dass die allermeisten Kreuzfahrtschiffe nach wie vor mit Schweröl laufen, einem extrem umweltschädlichen Abfallprodukt der Mineralölwirtschaft. Und davon verbraucht jedes Schiff so etwa 150 to pro Tag und produziert daraus u.a. 450 kg Feinstaub, der bekanntlich extrem gesundheitsschädlich ist. Ein Kreuzfahrtschiff liegt damit gleichauf mit etwa 1 Mio. (!) PKWs. Andere Quellen – allerdings aus dem Lager der Autofreunde - sprechen sogar von über 20 Mio. PKWs, dann bräuchten zwei Schiffe knapp so viel wie die gesamte deutsche PKW-Flotte.

 Die höchste Schadstoffkonzentration besteht naturgemäß unmittelbar an Bord der Schiffe und in den Hafenstädten, die sie anlaufen. Sollte man deshalb Kreuzfahrten gesetzlich reglementieren oder verbieten, vor allem um die Gesundheit der Passagiere zu schützen? Der Dieselskandal lässt grüßen. Der grüne EU-Parlamentarier Sven Giegold wiegelt ab: Man sollte den Menschen den Spaß nicht verderben. Tatsächlich sind Kreuzfahrten freiwillige Veranstaltungen, die sich nur besser Betuchte leisten können. Rauchen für Reiche gleichermaßen. Zudem ließe sich das Problem nur weltweit lösen. Bei einem deutschen Verbot würden deutsche Kreuzfahrer eben auf Schiffe anderer Nationen ausweichen, auf die Costa Concordia zum Beispiel, da gibt es gleich noch etwas Nervenkitzel dazu.

 Dieses Problem können nur wir Konsumenten selbst lösen. Zu unserem eigenen Nutzen könnten wir z.B. die Kreuzfahrten auf Schweröl-Schiffen boykottieren. Auf einen Boykott würden die Reedereien mit Sicherheit zügig reagieren und die Schiffe umrüsten auf weniger schädliche Treibstoffe. Bis dahin heißt es aber: Wer einen gesunden Urlaub verbringen will, der guckt Kreuzfahrten lieber weiterhin im Fernsehen, Florian Silbereisen zum Trotz.

 Oft sind Kreuzfahrten zudem mit Hin- und Rückflügen verbunden, weil sie nicht in deutschen, sondern fremden Häfen starten und enden. Damit taucht das nächste Problem auf: Flugreisen. Und das ist sogar das quantitativ erheblich größere Problem. Statt 2 Mio. Kreuzfahrtpassagieren jährlich steigen allein auf deutschen Flughäfen etwa 120 Mio. Menschen in ein Passagierflugzeug, das sie überwiegend zu Zielen außerhalb von Deutschland bringt, Tendenz nach wie vor stark steigend. Dabei sind es nicht nur Gutverdienende, für die sowohl Geschäftsreisen (etwa 20%) als auch Urlaubsflugreisen (etwa80%) zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Zunehmend erschließen die Billigflieger auch die Gruppe der weniger betuchten Einwohner von Industrieländern. Der weitaus größte Teil der Erdbevölkerung (gesprochen wird von 95%) ist überhaupt noch nie geflogen, wieder ein Beispiel dafür, dass es die Einwohner der „reichen“ Länder sind, deren Klimaschädlichkeit und Umweltverbrauch ein Vielfaches der Menschen aus Entwicklungsländern ausmacht.

 Betrachtet man nur den CO2-Ausstoß, dann könnte man das Umweltproblem, das von Flugreisen ausgeht, für eher gering halten, trägt es doch weltweit mit einer Emission von etwa 1 Mrd. Tonnen nur zu etwa 3% zum weltweiten CO2-Ausstoß bei, etwa ein Drittel des Ausstoßes vom Autoverkehr. Tatsächlich sind es aber alle Auspuffgase der Flugzeuge (z.B. auch Stickoxide, Aerosole und Wasserdampf), die das Problem ausmachen, weil sie in großer Höhe erfolgen und über die Kondensstreifen in erheblich größerem Umfang zur Erderwärmung beitragen als das CO2 allein. Zudem sind Flugreisen zumeist Fernreisen, wodurch der CO2-Ausstoß, den der einzelne Passagier verursacht, erheblich in die Höhe schnellt. So verursacht ein Ferienflug auf die Malediven etwa 5 to CO2. Dafür kann man mit dem PKW etwa 25.000 km fahren, deutlich mehr als die durchschnittliche Fahrstrecke eines PKWs im ganzen Jahr. Dabei sind die Flugzeuge deutlich effizienter geworden, benötigen pro Passagier nur noch etwa 30% des ursprünglichen Treibstoffs. Wäre nicht die Zahl der Flüge und Passagiere erheblich stärker angestiegen als die Einsparungen pro Passagier. Neben den Klimabelastungen verursacht der Flugverkehr im Umkreis der Flughäfen erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Lärm und Abgase der Flugzeuge.

 Nun kommt man auf die Malediven eher schwer mit dem Auto. Was bleibt, wenn man unbedingt fliegen will, sind die sog. Kompensations-Zahlungen. Zusätzlich zum Ticket zahlt der „umweltbewusste“ Fluggast einen bestimmten Betrag z.B. an eine Organisation wie Atmosfair, die das Geld weltweit in Klimaschutzprojekte steckt. Immerhin, wäre da nicht der Nachteil, dass dadurch der Verzicht auf Flugreisen als überflüssig angesehen werden könnte: Man kompensiert doch, da braucht man nicht zu verzichten.

 Tatsächlich ist also sowohl in Bezug auf Kreuzfahrten als auch auf Flugreisen zu konstatieren: Wir können machen, was wir wollen, nicht kreuzfahren und nicht fliegen sind die einzigen Handlungsweisen, die wirklich etwas bringen. Und sie tun nicht weh, weil es tolle Urlaubs-Alternativen in Wohnort-Nähe gibt, die man auch mit der Bahn erreichen kann. Auch auf Geschäftsreisen kann man verzichten und stattdessen möglichst oft Videokonferenzen abhalten. Hier stellt der Verzicht wieder einmal wirklich eine Befreiung von Überflüssigem dar, z.B. von Warterei und Flughafenkontrollen.

 Aber auch politische Alternativen sind verfügbar. Denn fliegen ist billig, weil es massiv subventioniert wird. Die Politik müsste bloß die Subventionen wie die Befreiung von der Kerosinsteuer aufheben und es den Kreuzfahrtschiffen untersagen, direkt in ihre Zielstädte wie Venedig, Dubrovnik und Palma hineinzufahren. Die bisherigen Flugsubventionen könnte man in den Ausbau einer preiswerten Eisenbahn stecken. Dann könnte man zumindest erreichen, dass die Bahn wieder deutlich attraktiver ist als die Inlandsflüge der Billigflieger. Wäre doch mal ein Anfang.