Klimawandel: Sagt die Wahrheit und handelt danach!

Auch dieser Artikel ist vor der Coronakrise entstanden, als das Thema Klimawandel dank der Friday Demonstrationen noch ganz oben auf der Hitliste der politischen Themen stand. Jetzt spricht kaum noch jemand darüber, von den wenigen Mahnern abgesehen, die für die Zeit nach Corona die Chance für einen grundlegenden Wandel der Wirtschafts- und Nachhaltigkeitspolitik erkennen wollen. In Bezug auf Corona musste sogar Donald Trump erkennen, dass an der Wahrheit der Pandemie kein Weg vorbeiführt und drastische politische Maßnahmen erforderlich sind, um das Schlimmste abzuwenden. Das gilt auch für den Klimawandel, wenngleich dessen Folgen nicht mit der gleichen überfallartigen Geschwindigkeitüber uns hineinbrechen werden. In ihrer Schwere werden sie mindestens gleich sein. Warum spricht und handelt die Politik beim Klimawandel und den zu seiner Beherrschung notwendigen Maßnahmen nicht mit gleicher Klarheit?

 

 

Wenn sich Politiker zum Thema Nachhaltigkeit oder Klimaschutz äußern, eiern sie oft herum. Einerseits bescheinigen sie Wissenschaftlern oder Klimaschützern wie den Fridays4Future, sie sprächen ja schon die richtigen Fragen an und ihre Forderungen seien nur allzu berechtigt. Andererseits betonen sie, Politik sei nun einmal das Geschäft der Kompromisse. Nicht alle berechtigten Forderungen könnten so einfach umgesetzt werden. Man müsse die Menschen „mitnehmen“. Wer sein tägliches Steak gewohnt sei, wolle nun mal nicht von heute auf morgen einen Veggieday in der Kantine. Und schließlich müssten bei alledem möglichst viele Arbeitsplätze erhalten werden. So seien denn eben der Kohleausstieg bis 2038 oder das sog. Klimaschutzpaket der GroKo u.a. mit der Bepreisung der CO2-Emissionen von zunächst 25€ pro Tonne und einer Erhöhung der Pendlerpauschale der richtige Weg. Mehr sei nicht drin, wenn wir unseren Wohlstand nicht aufs Spiel setzen wollten. Und wer wolle das schon.

 Dabei wissen sie es besser. Unter allen, die sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigen, ist unstrittig, dass die Klimaziele der Pariser Klimakonferenz (Begrenzung des Klimaanstiegs auf 2o oder möglichst 1,5o) mit diesen Maßnahmen nicht erreicht werden können. Es ist klar, dass in diesem Fall erhebliche Schäden drohen, nicht nur in Form gravierender Wetterveränderungen wie Starkregen, Dürre und dem Anstieg des Meeresspiegels etc., sondern auch durch die daraus resultierenden weiteren Folgen wie der Unbewohnbarkeit verschiedener heute dicht besiedelter Regionen. Vor allem aber drohen mögliche sogenannte Kippeffekte, die zu irreversiblen Entwicklungen mit zum Teil dramatischen Folgen führen können. Ihnen zugrundeliegende Kipppunkte sind mögliche sprunghafte Veränderungen z.B. infolge einer Temperaturerhöhung der sog. Permafrostböden oder des Grönlandeisschildes. Hier droht ein Abrutschen großer Eisschild-Teile ins Meer mit der Folge eines drastischen Meeresspiegel-Anstiegs oder der nicht mehr zu stoppende massenhafte Austritt des Klimagases Methan mit direkten Klimafolgen.

 Diese möglichen, sogar wahrscheinlichen, aber natürlich nicht zeitlich genau vorhersagbaren Wirkungen ziehen ebenso gravierende soziale und wirtschaftliche Folgen nach sich. Heute auf Meereshöhe liegende Länder wie Bangladesch würden unbewohnbar. Ebenso Länder, in denen hitzebedingt ebenfalls keine Menschen mehr leben könnten. Massenhafte Fluchtwanderungen wären die Folge. Für die nicht kriegerische Bewältigung dieser Folgen, wenn sie denn überhaupt möglich wäre, würden erheblich höhere Kosten entstehen als zurzeit zur Abwehr des Klimawandels aufgebracht werden müssten.

 Das alles ist wahr, wird aber nicht nur von Klimawandelleugnern zurückgewiesen, sondern auch von ehrbaren Politikern nicht erwähnt. Die Menschen „mitzunehmen“ hieße, ihnen die Wahrheit zu sagen und es hieße, ernsthaft Maßnahmen einzuleiten, die vielleicht noch das Schlimmste verhindern können: Energiewende, Verkehrswende, Ernährungswende, Wohnwende. Nur das sichert unseren Wohlstand wirklich. Mutige Politik darf nicht vor drastischen Klimaschutzmaßnahmen zurückschrecken. Die lassen sich auch sozialverträglich machen. Der letzte sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder ist seinerzeit mit Reformen wie Hartz IV nicht vor erheblichen sozialen Einschnitten zurückgeschreckt, die ihm damals von neoliberalen Wissenschaftlern angeraten wurden. Im Ergebnis sicher kritikwürdig. Auch im Fall Corona erleben wir Politiker*innen, die mutige Entscheidungen treffen, zu denen ihnen kompetente Wissenschaftler raten. Und beim Klimawandel? Hier ist ein*e neue*r mutige*r Kanzler*in gefragt, die/der mutige von der Wissenschaft empfohlene Klimaschutzmaßnahmen umsetzt, die schlimme Schäden vermeiden helfen. Denn diese Schäden würden sozial und finanziell teurer als die heute notwendigen Maßnahmen. Ein mutiges Umsteuern dagegen kann wirtschaftliche und soziale Perspektiven eröffnen, die den Menschen weltweit ein gutes Leben bringen. Das ist die Wahrheit.