Ich bin 1945 geboren, einige Monate nach der Kapitulation des Nazi-Regimes oder derjenigen, die davon übrig geblieben waren. Nach der Schule wollte ich Werbemanager werden. Den Leuten Dinge schmackhaft zu machen, mit denen meine Auftraggeber Geld verdienen können, das fand ich damals tatsächlich eine reizvolle Perspektive. Dann kam 1968 dazwischen und brachte mich zum Nachdenken. Das Thema Wirtschaft interessierte mich weiter und hat mich bis heute nicht losgelassen. Aber das mit der Werbung fand ich nicht mehr so prickelnd. Also entschied ich mich für die Wissenschaft, seit 1991 in der Position eines Profs für BWL.
Ausgerechnet BWL? Ja wirklich, man kann auch diese vermeintliche Bereicherungswissenschaft gegen den Strich bürsten und nach den sozialen und ökologischen Folgen des bloßen Immer Mehr fragen. Man kann versuchen, Unternehmen in ihrem Bemühen um betrieblichen Umweltschutz und die Übernahme ihrer sozialen Verantwortung zu begleiten und ihnen den Spiegel vorhalten, wenn sie dabei allzu schönfärberisch vorgehen. Und schließlich kann man es zu seinem Anliegen machen, Studierende dieses Faches mit kritischem Denk-Rüstzeug auszustatten, das sie dann hoffentlich auch nicht vergessen, wenn sie nach dem Studium in die Praxis gehen. So habe ich’s gehalten, von der ersten Assistententätigkeit bis zur Pensionierung.
Die Mittel, die man als Hochschullehrer dazu zur Verfügung hat, sind Worte, gesprochen und geschrieben. Worte können eindringlich sein, sie können Überzeugungen transportieren, aber Taten sind sie nicht. Ein Wissenschaftler ist darauf angewiesen, dass andere sein Reden ernst nehmen, die überbrachten Botschaften bedenken und nutzen. Praktisch handeln tun fast immer andere. Und deren Hintergründe sind stets nicht nur die erworbenen Überzeugungen und Ansichten, sondern immer auch eigene Interessen und die realen Handlungsbedingungen. Wird eine*r nach dem Studium Manager in einem größeren Unternehmen, dann gelten andere Bedingungen als wenn sie oder er ein Familienunternehmen übernimmt und darin eigene Überzeugungen umsetzt. In einer angestellten Funktion sind die Handlungsmöglichkeiten oft sehr eng begrenzt, weil man allenfalls Weisungen ablehnen, nicht aber selbst welche erteilen kann.
Nun aber haben Greta Thunberg und mit ihr Millionen Schüler*innen, Student*innen und Bürger*innen, Wissenschaftler und Unternehmer den Finger in die Wunde gelegt: Um die längst vereinbarten internationalen Ziele zu erreichen, müssen wir handeln, jede*r nach ihren Möglichkeiten. Denn die dringlichen Probleme im Klimaschutz, im Artenschutz, in der Bewahrung fossiler Ressourcen und in Fragen der Vermüllung der Welt dulden keinen Aufschub. Die Friday4Future-Bewegung hat völlig recht: es geht nicht mehr darum, Verständnis für berechtigte Kritik und Forderungen aufzubringen. Es geht darum, unverzüglich zu handeln, vor allem:
- aus der Nutzung fossiler Brennstoffe möglichst schnell auszusteigen,
- die Verwendung von mineralischem Dünger, Pestiziden, Fungiziden und Herbiziden drastisch zu reduzieren, um Artenschutz zu
betreiben und die Fruchtbarkeit der Böden zu bewahren, - die Nutzung von Plastik erheblich zu reduzieren und Plastikabfälle schadlos zu entsorgen anstatt sie zu exportieren oder einfach in
Gewässer zu kippen, - die ausufernde Mobilität einzudämmen, insbesondere im Bereich des Flug- und Schiffsverkehrs und des privaten Automobils,
- möglichst vollständig geschlossene Stoffkreisläufe, wo immer es geht, einzurichten und wirklich zu nutzen
- den Verbrauch tierischer Produkte zu reduzieren, um die Massentierhaltung überflüssig zu machen,
- und insgesamt in den westlichen Induirstrieländern weniger von allem zu verbrauchen: Schrumpfung statt Wachstum oder
positiv
ausgedrückt Befreiung vom Überfluss.
Keiner von uns kann auf allen diesen Feldern gleichermaßen aktiv werden. Viele Dinge entziehen sich dem Einfluss Einzelner und können nur von den Entscheidern in Politik und Wirtschaft für die Gesellschaft insgesamt oder für ganze Unternehmen umgesetzt werden. Auf diese heißt es also Druck auszuüben. Ohne Druck werden sie weiter so lavieren, wie sie es seit langem tun.
Aber es wird auch nicht ohne jede*n Einzelne*n von uns gehen. Wenn weniger Fleisch, weniger Autos und weniger Plastik gekauft werden, wenn weniger geheizt und in den Urlaub geflogen wird, wenn weniger Lebensmittel weggeworfen werden, dann hat das seine Wirkung und auch verantwortungslose Verantwortliche werden gar nicht anders können, als sich daran zu orientieren. Jede*r muss sich die Frage selbst beantworten, was er/sie tun will und kann. Wie gesagt: nur reden und Verständnis aufbringen reicht nicht.